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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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ihnen schon so oft gezeigt, wie sie einen Menschen auffressen. Ich habe stattdessen ein paar Barrakudas organisiert.«
    Marianne rümpfte die Nase.
    »Barrakudas?«
    »Ja, eine besonders bösartige Fischart. Ich setze große Hoffnungen auf sie.«
    »Ich bevorzuge Piranhas. Was soll’s, ich hab den Jungen.«
    »Aha!« Er musterte Jonathan von oben bis unten. Seine Pupillen bewegten sich dabei völlig unabhängig voneinander.
    »Du bist also der, der so viel Ärger verursacht hat? Ich hoffe, dass du es wert bist.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Jonathan nervös.
    Das grüne Auge verengte sich.
    »Weißt du, was du bist, Junge? Du bist ein Halbblut. Halb Darksider, halb Lightsider. Ich persönlich bevorzuge Reinblüter, aber du hast gewisse … Qualitäten für eine Kuriositätenschau, die meine weniger anspruchsvollen Kunden zu schätzen wissen. Und so wirst du die Bühne des ›Kabinetts der exotischen Bestien‹erobern. Nur für einen Abend. Zusammen mit einem Haufen Schakale.«
    »Und was soll ich dort tun?«
    Grimshaw beugte sich zu Jonathan.
    »Du sollst sterben.«
    »Sie sind verrückt! Das alles hier ist Wahnsinn! Ich gehe nicht auf irgendeine bescheuerte Bühne! Lassen Sie mich hier raus!«
    Grimshaw stieß ein widerwärtiges Lachen aus.
    »Das Leben ist manchmal grausam. Genauso wie ich. Glaub mir, du bist ein Naturtalent.«
    Jonathan schwieg. Marianne wuschelte ihm freundschaftlich durch die Haare.
    »Pass auf ihn auf, Grimshaw. Er ist ein guter Junge. Und außerdem sehr begehrt. Wie sich herausgestellt hat, bist du nicht der Einzige, der hinter ihm her ist. Du hast Glück, dass ich eine Frau bin, die zu ihrem Wort steht.«
    »Dein ehrenwerter Ruf eilt dir voraus, meine Liebe.«
    »Eigentlich sollte ich den Preis für ihn erhöhen, aber was soll’s. Da wir jedoch gerade von Bezahlung sprechen, ich glaube, du schuldest mir etwas Geld. Und vielleicht auch noch eine Entschuldigung, weil du an mir gezweifelt hast?«
    »Eine Entschuldigung? Ich habe nie auch nur eine Sekunde an dir gezweifelt.«
    Aus der Haupthalle ertönten das ohrenbetäubende Brüllen eines wilden Tieres und ein angsterfüllter Aufschrei. Grimshaw nickte erwartungsvoll.
    »Klingt so, als habe die Show begonnen. Der Tod liegt in der Luft.«
    Er hob den Eimer auf und warf einen weiteren Fleischbrocken in das Aquarium. Das Wasser schäumte, als die Barrakudas an die Oberfläche stießen, um das Fleisch zu fressen. Aus der Haupthalle drangen weiterhin Schreie zu ihnen.
    Jonathan schluckte.
    »Was geht da draußen vor sich?«
    Der Zirkusdirektor des »Kabinetts der exotischen Bestien« kratzte sich am Kopf.
    »Schwer zu sagen. Wir haben heute Abend einen afrikanischen Löwen und einen Schneeleoparden losgelassen. Beide haben wir seit Tagen nicht gefüttert. Vielleicht kämpfen sie miteinander. Oder sie versuchen, das Publikum zu fressen. Klingt als wäre Letzteres der Fall.«
    Ein grausames Brüllen schallte durch den Raum.
    »Ja. Definitiv Letzteres.«
    »Werden Sie sie nicht aufhalten?«, keuchte Jonathan.
    »Aufhalten? Warum zur Hölle sollte ich das tun? Das ist doch der Grund, warum die Leute hierherkommen. Was sollten sie sonst tun? Die Tiere nur anglotzen?«
    »Aber da draußen sterben Menschen!«
    Grimshaw streckte bedauernd die Arme von sich.
    »In zwanzig Minuten öffnen sich die Türen wieder. Dann können sie gehen. Natürlich vorausgesetzt, sie zahlen die Ausgangsgebühr.«
    »Aber das ist verrückt! Warum kommen die Leute hierher?«
    Grimshaw beugte sich so weit hinunter, dass sein blaues Auge auf Jonathans Augenhöhe war.
    »Weil das Leben so ist. Es ist hart und grausam, und das ändert sich nicht einfach, wenn du es gerade willst. Darksider wissen das. Und wenn es etwas gibt, das sie lieben, dann ist das ein guter, ungerechter Kampf. Sie werden immer hierherkommen.«
    Marianne ließ gelangweilt ihren Blick schweifen.
    »Grimshaw, der Junge ist aus Lightside. Er hat keinen Sinn für deine Art von Unterhaltung. Außerdem ist es schon spät. Bezahlst du mich jetzt?«
    »Natürlich. Gehen wir ins Büro. Ist der Junge sicher bei dem Stummen?«
    »Humble – sorg dafür, dass der Kleine nicht wieder abhaut. Wenn er Ärger macht, dann steck ihn in einen Käfig wie den anderen.«
    Der Riese nickte und umklammerte Jonathans Arm. Grimshaw und Marianne gingen hinter einem Käfig entlang, in dem ein Elefanten-Junges gefangen war, und verschwanden durch einen Ausgang. Jonathan dachte fieberhaft nach. Es blieben ihm vielleicht fünf

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