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Die Scherenfrau

Die Scherenfrau

Titel: Die Scherenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Franco
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akzeptierte ich, dass ich nichts für sie tun konnte, dass meine einzige Alternative darin bestand, an ihrer Seite zu sein und ihren Sturz zumindest zu verlangsamen.
    »Wenn du dich nicht selbst belügst und dir nichts vormachst, wirst du es nie schaffen, Rosario«, war das Letzte, was ich zu ihr sagte, bevor ich resignierte.
    Ich für meinen Teil hatte mich für diese Variante entschieden. Ich träumte von einer erholten Rosario voll Leben. Die dickste Lüge war: voll Liebe für mich. Eine Illusion, die so lange Bestand hatte, bis die Frage kam:
    »Was hast du von Emilio gehört?«
    Ich sagte ihr die Wahrheit, nämlich gar nichts. Aber ich erzählte ihr nicht, warum ich nichts von ihm gehört hatte. In meiner Antwort hätte ich ihr von meiner Abschottung und Aufopferung für sie erzählen müssen, von den Nächten, die ich damit verbrachte, ihr beim Schlafen zuzuschauen, von dem Ausweg, nach dem ich suchte, um sie aus ihrem Loch zu holen, von der Freude, die mir das Bewusstsein gab, mit ihr allein zu sein, auch wenn sie am Untergehen war. Aus diesem und vielen anderen Gründen – denn ich verschwieg meine Eifersucht – wusste ich weder etwas von Emilio noch von der Welt da draußen. Nicht den Monat, den Tag oder die Uhrzeit, nicht einmal mehr meinen Namen, denn das Einzige, was ich hörte, war ihr »Kumpel, mein Kumpel«, das klang wie eine Bitte und Klage zugleich.
    Nach einer Weile öffneten wir die Fenster. Es war ein gutes Zeichen für unsere Genesung. Licht, das uns grell vorkam, durchflutete das Apartment. Wir hatten uns an die Dunkelheit bei Tag und Nacht gewöhnt, an die Abschottung wie bei aufgegebenen Patienten, die weder Zeit noch Raum in dieser Welt haben. Aber plötzlich merkte ich, wie ein Vorhang zurückgezogen wurde, dann noch einer, und dann die anderen. Sie war es, die sie öffnete, mit einem einzigen Ruck, mit einer heftigen Bewegung. Ich musste wegen der Sonne die Augen zusammenkneifen. Oder vielleicht auch wegen der Hoffnung, die durch diese Fenster schimmerte.
    »Dieses Apartment ist völlig versifft«, sagte sie. »Es hat dringend eine Grundreinigung nötig. Wie sagt Doña Rubínoch gleich: Niemand kann etwas dafür, dass er arm ist. Aber dass er schmutzig ist, schon.«
    »Entschuldige, Rosario«, sagte ich zu ihr, »von was für einer Armut redest du da?«
    »Das ist alles nur geliehen, Kumpel«, sagte sie. »Vielleicht kommen sie auf die Idee, mir alles wegzunehmen, wenn ich gar nicht damit rechne.«
    Sie trat in die Küche, und gleich darauf stand sie mit dem Staubsauger, Putztüchern, Besen und Schaufel da, band sich die Haare zurück, warf sich einen Lappen über die Schulter und wollte das Gerät anstellen, als sie meine Verwunderung bemerkte.
    »Was sitzt du noch herum?«, fragte sie.
    »Was hast du vor, Rosario?«
    »Du meinst, was haben wir vor«, sagte sie. »Wir werden jetzt Hausputz machen, mein Kumpel, und keine faulen Ausreden, komm und pack an.«
    »Und warum rufst du nicht die Señora an, die bei dir sauber macht?«
    »Ach, vergiss die Señora«, sagte sie. »Ich nehm mir das Wohnzimmer und die Küche vor, und du die Schlafzimmer. Aber mach hin, wir wollen heute noch fertig werden.«
    Sie übergab mir die notwendigen Utensilien und schaltete den Staubsauger an. Ich hatte den Eindruck, dass sie selbst das Gerät war und dass die Energie des Saugers von ihr kam. »Rosario beim Hausputz?«, dachte ich, als ich den Bereich betrat, der mir zugewiesen worden war, »ich weiß nicht, ob ich mir Sorgen machen oder mich totlachen soll.« Ich machte mir tatsächlich Sorgen, als ich mich selbst mit den Siebensachen sah, die mir Rosario in die Hand gedrückt hatte und von denen ich kaum ahnte, wie man sie verwendete. »Wenn Emilio mich sehen würde«, dachte ich und musste ernsthaft an ihn denken.
    Später sollte er mir haarklein erzählen, was er durchgemacht hatte. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: was sie durchgemacht hatten. Denn seine Familie schleppte ihn zwischen Ärzten, Psychologen und Therapeuten hin und her, damit irgendeiner ihm eine Behandlung im Ausland oder, in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Familie, weit weg von Rosario verschrieb. Aber trotz seines schwebenden Zustands gelang es ihm, genug Energie zu sammeln, um ein entschiedenes »Ich gehe auf keinen Fall weg von hier« auszusprechen, was seine Familie dazu veranlasste, ihren Vorschlag bei der anderen Seite vorzubringen. Das heißt, Rosario fortzuschaffen. Wie man sich vorstellen konnte, hätten die

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