Die Scheune (German Edition)
schlangen sich verhasst ineinander. Dann verschwand der Fremde genauso flink, wie er es vorhin schon einmal getan hatte.
Dane war verwirrt, zahlte rasch und legte noch ein gutes Trinkgeld dazu. Der Kleine bekam ein Taschentuch zur Beseitigung seiner Eisflecken am Mund und einen großen, roten Luftballon. Das ließ die Augen des Jungen erneut strahlen, und er fiel Dane dankbar um den Hals. Dieser musste sich tief bücken und sog die Freude des Kindes in sich ein, wie schon lange nichts mehr. Er fühlte sich glücklich, wenigstens zwei gelungene Stunden wieder mit nach Kansas nehmen zu können.
Der kleine Dane wurde auf dem Heimweg müde. Er rieb sich erschöpft die Augen. Es waren zwei schöne, aber auch anstrengende Stunden für ihn gewesen. Sein kleiner Kinderkörper drängte sich liebevoll an Dane. Er sah hinunter zu dem Kind und füllte seine Arme und sein Herz mit ihm. Der Ballon ragte weit über sie hinaus, und nach kurzer Zeit spürte er den kleinen Kopf des Kindes an seiner Schulter. Er war kaum zehn Minuten mit dem Kleinen auf dem Arm gegangen, als er eine Horde von Menschen auf sich zurasen sah. Er erkannte Sarahs Familie. Allen vorweg Maggie, Danes Mutter, gefolgt von deren Mutter, gefolgt von deren Schwester, Sarahs Mutter und Sarah.
„Oh, mein Gott!“, schrie Maggie vorwurfsvoll. „Warum habt Ihr denn nicht Bescheid gesagt? Wir haben alles nach Dane abgesucht! Wie konntest du ihn einfach mitnehmen?“
Brutal riss sie den schlafenden Jungen aus seinen Armen, ehe er die Situation erklären konnte. Die Harmonie, die beide so liebevoll füreinander gewonnen hatten, zerbrach. Es war, als riss man ihm einen Teil seines Körpers ab. Niemand bemerkte seine Absicht, den Jungen behutsam übergeben zu wollen. Er glaubte, in den bösen Blicken zu verbrühen, drehte stumm um und hatte keine Lust mehr, sich den ungerechten Vorwürfen der Frauen zu stellen. Nicht einmal Sarah hatte für ihn ein beistehendes Wort übrig. Er hasste es. Für den Rest des Abends zog er sich in sein Zimmer zurück.
Sarah kam erst spät in der Nacht nach. Als sie das Zimmer betrat, sah sie, wie Dane auf der Bettkante saß, in sich gesunken. Sein ganzer Körper wippte apathisch. Die linke Hand bedeckte seine Stirn, die Augen waren geschlossen, die rechte Hand lag fest gepresst auf seinem Bauch. Wie lange mochte er hier schon so sitzen?
Ihre Anwesenheit unterbrach ihn nicht in seinen Bewegungen. Er hörte sie nicht einmal. Sarah erschrak und bekam zugleich eine große Angst. Sie schloss leise die Tür hinter sich und sah wieder zu ihm. Er bemerkte sie immer noch nicht, zumindest zeigte er es nicht. Etwas Fremdes umgab ihn. Sarah bekam eine Gänsehaut. Dann nahm sie den säuerlichen Geruch von Erbrochenem wahr.
Sie hatte unten bei ihrer Familie viele böse Worte über ihn ertragen müssen und auch nicht den Mut aufgebracht, ihn zu verteidigen. Sie hatten ja alle mit ihrer Empörung Recht. Im Grunde genommen war sie ja auch empört. Wo war sein Verstand geblieben, als er den kleinen Jungen mitgenommen hatte? Sie hatte unten die ganze Zeit darüber nachgedacht, was er wohl mit dem Jungen gemacht hatte. Jetzt saß er auf diesem dummen Bett und wippte so widerlich vor sich hin, dass sie Angst bekam. Es reichte! Sie fuhr ihn an: „Was hast du mit Dane gemacht?!“
Ihre Worte klangen scharf und rissen ihn aus seiner Bewegung. Er sah langsam zu ihr hoch. Sein Blick war so unheimlich wie noch nie. Sarah versuchte, standhaft zu bleiben, aber es war ihr, als bekämen seine Augen lange, hässliche Arme und rissen ihren Kopf zu Boden. Sie konnte nichts dagegen unternehmen. Sein Blick besaß plötzlich eine Macht, die sie vollkommen aus der Fassung brachte. Keine Handgreiflichkeit, nichts dergleichen und doch fühlte sie sich von ihm geohrfeigt. Ob zurecht, wusste sie nicht. Es beschäftigte sie den ganzen Abend nur diese eine Frage: „Was hast du mit Dane gemacht, habe ich gefragt!“ Sie dachte dabei widerwillig an seinen Vater.
Mit dieser Frage wusste Dane, dass ihr Vertrauen soeben endete. Im Grunde wusste er es schon lange, aber jetzt bekam er eine unmissverständliche Antwort darauf. Wie hätte es auch anders kommen können, nachdem er ihr gestattet hatte, die Tagebücher seiner Mutter zu lesen – gefüllt mit perversem Zeug. Er hatte damit sein eigenes Urteil gesprochen und doch so fest daran geglaubt, das Richtige zu tun, wenn er sie an seine Probleme heranließ. Es war falsch gewesen, so falsch wie nichts anderes, was er in den
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