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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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das riesige Gebäude. Es war eine alte Scheune. Die rostrote Farbe löste sich bereits überall vom Holz.
    Jetzt konnte er sich erinnern. Diese Scheune kannte er nur allzu gut.
    Weit entfernt hörte er ein Kindergeschrei, dann die wütenden Schreie eines Mannes. Dane sah sich um, aber er entdeckte niemanden. Die Schreie kamen aus der Scheune. Er trat näher an das Gebäude heran. Doch bevor er es erreichen konnte, pralle er gegen eine unsichtbare Wand aus Glas. Er hörte aber weiterhin die Schreie der Kinder, nah und ganz klar. Die schrien und wimmerten: „Nein! Bitte, nein!!“ Eine derbe Männerstimme lachte.
    Dane versuchte die Wand aus Glas wegzuschieben, was ihm nicht gelang. Dann schlug er auf sie ein, aber sie zerbrach nicht. So nahm er Anlauf und rannte mit aller Kraft gegen dieses Ding, was ihn mit Gewalt von den wimmernden Kindern fernhielt. Aber es gab nicht nach. Er brach zusammen und sank besiegt zu Boden. Mit ihm fiel sein Traum. Die Scheune blieb unerreichbar, die Stimmen verstummten und alles war friedlich, als wäre nichts geschehen.
    Dane lag zusammengekrümmt im Wald vor einem Baum. 
     
    Mehr als vier Stunden waren Roosevelt und drei seiner Mitarbeiter nachts suchend durch die Parkanlage gelaufen. Mit Taschenlampen hatten sie in die kleinsten Winkel geleuchtet und unablässig nach dem vermissten Patienten gerufen.
    Roosevelt hatte die Absprache mit mir verflucht und sah sich schlimmen Konsequenzen gegenüber. Dann fanden sie ihn Gottseidank im angrenzendem Wald bewusstlos vor einem Baum liegen. Sein Gesicht wies Verletzungen im Stirn- und Nasenbereich auf, so als wäre Dane gewaltsam gegen diesen Baum gelaufen.
    Immer wieder zeigte sich bei ihm das Verlangen, seinen Kopf zu verletzen. Entweder schlug er ihn gegen die Wand oder er trommelte mit seinen Fäusten darauf ein. Nun war er eben gegen einen Baum gerannt. Was verbarg sich in diesem Kopf?
     
     
    1993. Los Angeles.
    „Es hat geklappt! Die Weichen sind gestellt. Sie können kommen“, teilte mir Roosevelt zufrieden mit und legte um 2.30 Uhr in der Nacht den Hörer auf die Gabel.
     
     
    1993. Dallas / Texas.
    Sie waren alle erschienen: Sarah, Roosevelt, Rhyan, Johnathan, die Gäste aus dem Running Horse, Joan, die Männer der Vergewaltigung und ich. Dieser Pulk von Menschen verursachte ein lautes Geschrei im Kopf von Dane. Es bereitete ihm Kopfschmerzen, und er hielt sich die Ohren zu. Was war das hier? Eine Party? Jeder redete vor sich hin, so dass alle durcheinander redeten. Sie standen um Dane herum. Er drehte sich im Kreis und sah allen ins Gesicht. Ihre Gesichter verzerrten sich. Wie Fratzen der Lächerlichkeit grinsten sie ihn an. Er fragte: „Warum geht die Scheunentür nicht auf?“
    Schallendes Gelächter brach aus, die Münder verzogen sich zu blutenden Höhlen ohne Zähne. Dann sagte einer: „Du musst eben kräftiger drücken, du Eichhörnchen! Hast wohl keine Kraft mehr, hä, du Schwächling. Du musst fester drücken“, lispelten dann alle. Und dann schrien sie im Chor: „Drücken! Drücken! Drücken!“
    Dane befreite sich aus der Mitte seiner Peiniger und sah sich um. Vor ihm baute sich wieder die Scheune auf. Er ging auf sie zu, wie im letzten Traum. Kurz davor hielt er inne und schaute sich noch einmal um. Seine Peiniger schrien immer noch; ihre Hälse wurden plötzlich länger, wie die von Gänsen. „Drücken! Drücken!“, tönte es zu ihm herüber. Er stand plötzlich vor der riesigen Holztür der Scheune. Es gab kein Glas mehr, was ihn zurückhielt. Die Spötter verstummten, dafür wurden andere Schreie hinter der Tür lauter. Sie klarten sich in Kinderstimmen auf. Ein Mann lachte. Dann begann Dane gegen die Scheunentür zu drücken. Alle Kraft, die er aufbringen konnte, setzte er ein. Er presste seinen Körper gegen dieses eine Hindernis, das all seinen Hass und all seine Ängste verbarg.
    Ein ohrenbetäubender Knall ließ alles sterben. Dane erwachte aus dem Traum und fuhr erschrocken hoch.
    Der feste Griff einer Hand an seiner Schulter holte ihn zurück in die Realität. Mit aufgerissenen Augen sah er mich an.
     „Ich bin es, Jim“, sagte ich.
     
    *
     
    Ich hatte mich beurlauben lassen und war wie besprochen zur Klinik gekommen. Hinter mir stand Roosevelt.
    „Du hast geträumt, nicht wahr?“, fragte ich.
    Dane lag wieder auf der Krankenstation. Er sah mich an. Sein Blick war verwirrt. Er hatte nicht mit mir gerechnet. Wie auch? Er hatte ja nichts von meinem Plan mit Roosevelt gewusst. Ich erklärte ihm

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