Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
hast du vor?« Sie schlenderten in den Schatten einer halb verrosteten Wellblechplatte. Masklin blickte mehrmals zum Firmament hinauf. Noch an diesem Morgen hatte er den Himmel für ein blaues Ding mit Wolken gehalten; jetzt wußte er, daß sich irgendwo dort oben Worte, Bilder und Maschinen verbargen. Sonderbar: Je mehr man herausfand, desto weniger
wußte
man.
»Keine Ahnung«, entgegnete er nach einer Weile. »Ich weiß es selbst nicht genau.«
»Es steht mit dem
Ding
in Zusammenhang, nicht wahr?«
»Ja. Nun, wenn ich etwas länger fort bin als sonst…« Grimma stemmte die Hände an die Hüften. »Ich bin nicht dumm«, sagte sie. »Orangensaft, ha! Ich habe fast alle Bücher aus dem Kaufhaus gelesen. Florida ist ein … Ein
Ort.
Wie der Steinbruch. Vielleicht sogar noch größer. Und weit entfernt. Man muß viel Wasser überqueren, um ihn zu erreichen.«
»Vielleicht ist die Strecke noch größer als jene, die wir während der Langen Fahrt zurücklegten«, murmelte Masklin. »Als wir am Flugplatz waren… Auf der anderen Seite der Straße habe ich Wasser gesehen, das bis zum Horizont reichte. Es schien überhaupt kein Ende zu nehmen.«
»Genau das meine ich«, erwiderte Grimma selbstgefällig.
»Ein Ozean, nehme ich an.«
»Davor stand ein Schild«, fuhr Masklin fort. »Ich erinnere mich nicht genau an die Aufschrift, und außerdem kannst du besser lesen als ich. Eins der Worte lautete Re… ser… voir.
Glaube ich.«
»Na bitte.«
»Wir sollten es trotzdem versuchen.« Masklin schnitt eine finstere Miene. »Es gibt nur einen Ort, wo wir sicher sind – unsere wahre Heimat. Oder möchtest du für immer auf der Flucht sein?«
»Die Sache gefällt mir trotzdem nicht«, sagte Grimma.
»Du hast immer wieder darauf hingewiesen, daß du es verabscheust, ständig wegzulaufen. Und gibt es eine Alternative?
Nein. Laß es mich versuchen. Wenn’s nicht klappt, kehren wir zurück.«
»Angenommen, es geht etwas schief? Angenommen, du kehrst nicht zurück? Ich …« Grimma zögerte.
»Ja?« fragte Masklin hoffnungsvoll.
»Dann… fällt es mir bestimmt nicht leicht, den Wichten gewisse Dinge zu erklären.« Mit etwas festerer Stimme fuhr Grimma fort: »Es ist eine dumme Idee. Und ich will nichts damit zu tun haben.«
»Oh.« Trotz verdrängte Masklins Enttäuschung. »Nun, ich breche trotzdem auf, wenn du gestattest.«
Kapitel 5
V. Und er fragte: Was hat es mit den Fröschen auf sich, von denen du sprichst?
VI. Und sie antwortete: Du verstehst das sicher nicht.
VII. Und er sagte: Mag sein.
Aus dem
Buch der Nomen
, Seltsame Frösche,
Kapitel 1, Verse V-VII
Eine Nacht reger Betriebsamkeit…
Wichte mußten mehrere Stunden lang marschieren, um zur Scheune zu gelangen. Einige Gruppen gingen los, um den Weg zu markieren, Vorbereitungen zu treffen und nach Füchsen Ausschau zu halten. Obwohl sich solche Tiere nicht mehr in die Nähe des Steinbruchs wagten. Ein Fuchs würde bestimmt die Gelegenheit nutzen, einzelne Nomen anzugreifen, aber bei dreißig gut bewaffneten und sehr entschlossenen Wichten sah die Sache ganz anders aus: Nur ein ausgesprochen dummer Fuchs zeigte Interesse an ihnen. Jene wenigen Exemplare, die ihr Revier in der Nähe hatten, liefen in die entgegengesetzte Richtung, wenn sie einem Nom begegneten. Sie wußten inzwischen, daß sich Wichte ziemlich gut zur Wehr setzen konnten.
Für manche Füchse war es eine bittere Lektion gewesen.
Kurz nach der Ankunft des Nomen-Volkes im Steinbruch überraschte ein Fuchs zwei Wichte beim Sammeln von Beeren und fraß sie. An jenem Abend erwartete ihn eine noch größere Überraschung: Zweihundert grimmig dreinblickende Nomen verfolgten ihn zu seinem Bau, entzündeten ein Feuer vor dem Zugang und machten von ihren Speeren Gebrauch, als er mit tränenden Augen aus dem Qualm kam.
Es gibt viele Tiere, die Wichte für Leckerbissen halten – mit dieser Warnung wandte sich Masklin an die Flüchtlinge aus dem Kaufhaus. Und sie müssen lernen: entweder wir oder sie.
Wir sollten ihnen sofort zu verstehen geben: Wenn jemand dran glauben muß, so sind sie es. Ab sofort wird Nomenfleisch vom Speisezettel der Tiere gestrichen.
Katzen waren viel intelligenter. Katzen hielten sich vom Steinbruch fern.
»Vielleicht übertreiben wir’s mit der Besorgnis«, sagte Angalo nervös, als der Morgen dämmerte. »Vielleicht benötigen wir die Scheune gar nicht.«
»Wir haben uns hier gerade erst eingelebt«, meinte Dorcas.
»Wie dem auch sei: Wenn wir Wächter an den
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