Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
des Senatsgebäudes aus. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel und wie so oft war das Licht, in das sie die Landschaft tauchte, von einer strahlenden Klarheit, die alle Farben kräftiger wirken ließ, als sie waren, und alle Umrisse und Einzelheiten dessen, was man sah, überdeutlich hervortreten ließen. Im Augenblick redete eine blonde, magere Frau, die dabei heftig gestikulierte. Man verstand allerdings nicht, was sie sagte; die Lautsprecheranlage war schlecht eingestellt, sodass nur Wortfetzen herüberdrangen.
Die Pressekonferenz des Präsidenten hatte, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, weltweit für Aufruhr gesorgt. Die wissenschaftliche Sensation, die der seit einer Million Jahre tote Außerirdische darstellte, ging allerdings völlig unter. Tagesgespräch waren stattdessen die großen Demonstrationen, die die Heimwärtsbewegung nun überall auf der Welt gegen die Forschungspolitik der Regierung veranstaltete, vor allem rings um den TRADIS, den Transnationalen Distrikt.
Menschenmassen mit Transparenten standen entlang der goldenen Linie, die die Bannmeile markierte, innerhalb derer keine Demonstrationen erlaubt waren. Doch alle Gebäude des TRADIS waren einst bewusst so errichtet worden, dass man die Demonstranten sah .
»Eine amerikanische Firma will Stofftiere auf den Markt bringen, die wie der Außerirdische aussehen«, sagte jemand neben Bjornstadt.
Bjornstadt wandte den Kopf. Senator Lu war neben ihn an die Brüstung getreten, einer der bekanntesten Vertreter der asiatischen Staaten und dort sehr umstritten, weil er die abspalterischen Tendenzen der Allianz vehement kritisierte.
»Nun«, meinte Bjornstadt, »das kann ihnen keiner verbieten, schätze ich.« Zweifellos würde es ein gutes Geschäft werden.
Lu wiegte den Kopf. »Es verniedlicht die Sache. Das gefällt mir nicht. Aliens, die hier vor einer Million Jahre Krieg gegen andere Aliens geführt haben, in Kinderbetten? Gruselt es Sie nicht auch bei dem Gedanken?«
»Es wird die nächste Generation an den Gedanken gewöhnen, dass wir nicht allein im All sind.«
»Ich bitte Sie!« Senator Lu reckte sein scharf gemeißeltes Kinn vor. »An den Gedanken haben wir uns doch inzwischen alle längst gewöhnt.«
Bjornstadt deutete auf die Demonstranten. »Die da nicht.«
»Auch die. Sonst würden sie die Sache wohl kaum so ernst nehmen.«
Bjornstadt überlegte. War das so? In gewisser Weise schon. Hätten die Menschen dort jenseits der goldenen Linie nicht geglaubt, dass die fremden Intelligenzen tatsächlich existierten, hätten sie sich wohl kaum die Mühe gemacht zu kommen.
»Ehrlich gesagt begrüße ich die außerirdische Bedrohung«, erklärte Lu. »Es ist das Beste, was uns passieren konnte.«
»Das ist nicht Ihr Ernst«, entfuhr es Bjornstadt.
»Eine Gefahr aus dem All? Aber klar! Die Menschen werden zusammenhalten, verstehen Sie? All die politischen Probleme, mit denen wir seit Jahren kämpfen, werden sich nun lösen lassen. Denn jetzt werden alle merken, wie unbedeutend unsere Meinungsverschiedenheiten eigentlich sind.«
Das Frühstück an diesem Montagmorgen verlief in ganz eigenartiger Atmosphäre. Ariana beobachtete ihren Vater, der einfach schrecklich aussah – bleich, mit Schatten unter den Augen, so, als habe er überhaupt nicht geschlafen. Entsetzlich auch, wie er sich abmühte, so zu tun, als sei nichts, als sei alles in bester Ordnung. Die ganze Zeit war er in Bewegung, legte eine aufgesetzte Fröhlichkeit an den Tag, die fast wehtat. »Willst du noch einen Kaffba? Komm, heute tun wir Honig rein, was soll der Geiz!« So in dem Stil ging es schon seit dem Aufstehen.
»Macht dir das denn gar nichts aus?«, fragte Ariana schließlich. »Das mit Mom?«
»Was soll mir das ausmachen?«, meinte Dad, während er den Honig in den Kaffba rinnen ließ. Auf der Erde fließe Honig schneller, hatte er Ariana einmal erzählt, wegen der höheren Schwerkraft. »Ich bin seit Neuestem ja auch wieder mit jemandem zusammen, nicht wahr? Und davon habe ich deiner Mutter schließlich auch noch nichts erzählt.«
Er meinte Cory MacGee, die als Assistentin Pigratos auf den Mars gekommen war. Ja. Aber die bekam kein Kind von ihm.
»Außerdem«, fuhr er fort, »ist das alles lange her. Acht Jahre schon. Da sollte man wirklich drüber weg sein.«
Aber er war nicht drüber weg. Er versuchte nur, sich das einzureden. Sie sah es darin, wie er sie anlächelte.
»Und ich hab ja dich, nicht wahr?«, sagte er. »Ich hab ja dich.« Damit wandte
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