Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
Würmern gepickt und sich seines Lebens gefreut –«
»Mmh«, machte Ronny und grinste beim Kauen. »Aber das war gestern.« Es gefiel ihm, wie Ariana sich über Leute aufregte, die Fleisch aßen. Er zog sie nur zu gern damit auf.
Doch bevor sie etwas erwidern konnte, fiepte ihr Kommunikator. Das Mail-Signal.
Ronny hatte es auch gehört. Sein Grinsen wurde noch frecher. »Ah, eine Mail von deinem Süßen …«
»Du bist ein Blödmann«, versetzte Ariana und stand auf. Ja, eine Mail war für sie angekommen. Die würde sie sich jetzt sofort anschauen. Und sie würde sich nicht umdrehen, während sie zum Terminalraum ging. Sonst würde sie nur sehen müssen, wie Ronny hinter ihr Kussmünder machte und sich königlich amüsierte.
Ariana ging bewusst langsam, obwohl ihr danach gewesen wäre zu rennen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor seit Urs’ letzter Mail. Er fehlte ihr. Und es wurde immer schlimmer.
Die Musik wurde undeutlicher, während sie die Main Street hinabging, schien in einem Sumpf aus Hall und Stimmengewirr unterzugehen. Nur der Geruch des Essens begleitete sie; er würde morgen früh noch in den Fluren hängen und erst im Lauf des Tages verschwinden. Als sie den Terminalraum am ersten Quergang betrat und die Tür hinter sich schloss, umfing sie völlige Stille.
Es roch nach Staub. Das Terminal hier wurde selten benutzt. Ariana schaltete es ein, rief den Mailzugang auf. Ungeduldig hüpften ihre Finger über die Tasten, um das Kennwort einzugeben. Und wow! Eine Videomail! Das war das Erste, was sie sah.
Bloß dass die Mail nicht von Urs stammte.
Sondern von ihrer Mutter.
Ariana stöhnte auf, drehte sich unwillkürlich vom Schirm weg. Mom! Mist aber auch. Das hatte sie völlig verschwitzt – ihrer Mutter gleich wieder abzusagen, als ihr klar geworden war, wie weit Flagstaff und Genf auseinanderlagen.
Ärgerlich über sich selbst schüttelte sie ihre lange schwarze Mähne. Das war mal wieder typisch. Sie war so froh gewesen, die eine Mail an ihre Mutter glücklich abgeschickt zu haben, ohne tausend Bedenken und Korrekturen, dass sie den Gedanken, gleich eine zweite, schwierigere hinterher zu schicken, erst gar nicht hatte aufkommen lassen.
Und jetzt hatte sie den Salat. Gleich würde sie ihre Mutter vor sich sehen, wie sie strahlend verkündete, dass alles für den Empfang ihrer Tochter arrangiert war, dass sie sich freute und so weiter …
Ariana starrte ins Leere. Sie wusste nicht, ob sie dem jetzt gewachsen war. Andererseits … brachte sie es fertig, zurück auf die Plaza zu gehen und so zu tun, als sei nichts? Es würde ihr ja doch keine Ruhe lassen. Also war es am besten, sie brachte es hinter sich. Sie wandte sich dem Terminal wieder zu und drückte den Abspielknopf.
Wie Ariana es erwartet hatte, erschien das dunkle, schöne Gesicht ihrer Mutter auf dem Schirm. Doch sie strahlte nicht, sondern schaute ernst drein, fast bekümmert. So, als sei etwas passiert.
»Ariana«, begann Mom zögernd, »wenn du das hier siehst … Also, zunächst: Ich freue mich für dich. Als ich gelesen habe, dass du jetzt einen Freund hast, dass du verliebt bist … mein kleines Mädchen … ach, ich musste daran denken, wie du damals in meinen Armen gelegen bist, so klein, so … und jetzt so groß, auf dem Weg, erwachsen zu werden …«
Ariana verdrehte die Augen. Die Leier!
»So vergeht die Zeit. Es ist nicht zu fassen, wie schnell«, fuhr Mom fort und seufzte. »Weißt du, ich würde dir ja gerne helfen. Wirklich. Bloß … also, es gibt da etwas, das ich dir vielleicht schon längst hätte sagen sollen … dir und deinem Dad, genauer gesagt … nun, wie auch immer, vielleicht ist jetzt gar kein so schlechter Zeitpunkt dafür; vielleicht verstehst du mich jetzt besser …«
Ariana hatte die Augen aufgerissen. Was? Wovon redete sie?
»Kurz und gut, die Sache ist die … ich bin seit einiger Zeit wieder mit jemandem zusammen …«
Ariana hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie musste an ihren Dad denken. Das würde ihm nicht gefallen.
»… und – wobei das natürlich nicht geplant war«, fuhr ihre Mutter mit betretener Miene fort, »aber es ist nun einmal so … also, was ich dir sagen wollte, ist, dass es wohl nicht gehen wird, dass du kommst, denn, siehst du – ich bin schwanger. Du würdest hier eintreffen, wenn das Baby gerade ein halbes Jahr alt ist, und das wäre mir, ehrlich gesagt, zu viel.«
7
Die Bedrohung
Senator Bjornstadt beobachtete die Demonstration vom Balkon
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