Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
Ronny brauchte eine Weile, ehe er erkannte, dass es genau das war, was das Objektiv in seiner Hand sah: seinen Handballen, die Zimmerdecke, den Tisch, sein Gesicht – alles auf groteske Weise verzerrt. »Das sieht ja vielleicht komisch aus«, meinte er.
»Kann man alles umrechnen, Ausschnitte herausholen und so weiter«, meinte Van Leer. »Der springende Punkt ist, dass es mir gelungen ist, das Ding so zu programmieren, dass es auch die Satelliten benutzen kann, um mit mir in Verbindung zu treten. Und dann wird es jeweils alles, was es aufgenommen hat, hierher übertragen, sodass der Speicher wieder frei wird.« Er lächelte seltsam. »Würdest du das für mich tun, Ronny? Die Kamera morgen einfach in deine Brusttasche stecken?«
Die Zimmer im Nairobi Hilton waren, fand Bjornstadt, unangemessen klimatisiert. Viel zu kühl für seinen Geschmack und er stammte immerhin aus Skandinavien.
Visilakis schien aufrichtig überrascht über sein Kommen, überschlug sich fast vor Gastlichkeit. Etwas zu trinken? Ob der Sessel bequem sei? Die Aussicht, großartig, nicht wahr?
»Schießen Sie einfach los«, sagte Bjornstadt.
Der Reporter erzählte. Wieder einmal, stellte der Senator mit Missbehagen fest, spielte dieses Marsmädchen eine wesentliche Rolle, Elinn Faggan. Alles hatte mit einer Information begonnen, die sie dem Journalisten hatte zukommen lassen. Unglaublich, oder? Da war dieses Gör von kaum vierzehn Jahren zu Gast bei Yules Whitehead, ließ sich von aller Welt beim Baden in dessen berühmtem schwerelosem Pool zusehen oder beim Spazierengehen am Rande des Weltalls – und so ganz nebenbei, mit einer E-Mail, setzte sie mal wieder die Weltgeschichte in Bewegung.
Alles Weitere hörte Bjornstadt mit zunehmendem Grauen. Kein Zweifel, es war die Heimwärtsbewegung, die sich in den Besitz seines Codes gebracht hatte. Das Mondobservatorium also hatte sie damit unter ihre Kontrolle gebracht? Rätselhaft. Wozu das?
Dass Whitehead seine Informanten überall hatte, wunderte ihn dagegen nicht im Geringsten. Der Mann war clever, das hatte er schon bei der ersten ihrer zahllosen Unterredungen gemerkt.
»… ich öffne also endlich die Tür«, erzählte Visilakis gerade, »und stelle zu meiner Überraschung fest, dass die Werfthalle leer ist.«
»Leer?«, wiederholte Bjornstadt.
»Keine TERESCHKOWA . Übrigens auch keine LIWEI und keine JÄHN . Ich habe die angrenzenden Hallen abgesucht. In allen drei Hallen lagen laut Unterlagen von Space Control Schiffe der Asteroidenwache zur Generalüberholung. Alle wurden auf Ihre Anweisung dorthin verlegt – und keines davon ist mehr da.« Der Journalist holte sein Lesegerät hervor, rief ein paar Dokumente auf und schob es ihm hin. »Das sind die Besatzungslisten. Alle diese Leute sind seit Monaten verschwunden und niemand weiß, wohin. Viele haben Familie, aber wenn ich die anrufe und sage, dass ich Journalist bin, legen sie einfach auf.«
Der Senator betrachtete die Listen. Da stand auch der Name Ingmar Becker. »Sie denken, jemand hat diese Familien eingeschüchtert?«
»Ganz offensichtlich.«
Hjalmar Bjornstadt faltete die Hände, sah sinnend auf den Fußboden, folgte den Mustern des Teppichs mit seinem Blick und dachte nach. Es konnte jetzt nicht mehr darum gehen, seine Karriere zu retten. Nicht bei den Dimensionen, die diese Geschichte inzwischen angenommen hatte. Hier waren irgendwelche ungeheuerlichen Dinge im Gang, deren Hintergründe und Zwecke er nicht verstand, an denen er jedoch Mitschuld trug. Er musste tun, was in seiner Macht stand, um diese Vorfälle aufzuklären und vielleicht Schlimmes zu verhindern.
Er blickte hoch und sah den Journalisten an. »Ich wusste von all dem nichts«, erklärte er. »Weder habe ich irgendwelche Anweisungen gegeben, die drei Schiffe der Asteroidenwache betreffend, noch sonst etwas von dem veranlasst, was Sie da schildern. Ich habe allerdings seit einiger Zeit den Verdacht, dass jemand meine Codekarte kopiert haben könnte. Auch wenn ich mir nicht erklären kann, wann und wie das passiert sein sollte.« Er berührte die dünne Kette an seinem Hals. »Ich trage sie praktisch Tag und Nacht bei mir. Und wenn ich dusche, tue ich das allein.«
In dem Moment, in dem er das sagte, regte sich ganz weit hinten in seinen Gedanken eine vage Erinnerung, zu flüchtig, als dass er sie zu fassen bekommen hätte … Aber da war etwas. Ein Gefühl. Eine Erklärung.
Visilakis furchte die Stirn. »Das hätten Sie melden müssen.«
»Sicher hätte
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