Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
strahlende Held, der das Marsflugzeug geflogen hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, wirkte ein wenig befangen.
Der Passagierraum war voller Sitze, viel zu viele davon. Man konnte den Helm abnehmen. Ariana schaute sich um. Wer war eigentlich noch alles mit dabei? Mrs Faggan und Pigrato, klar. Sie und Ronny, auch klar. Ein Techniker aus dem Bauteam von Mrs Faggan, Zhao Bai, ein ruhiger, höflicher Mann, der schon seit ewigen Zeiten auf dem Mars lebte und den man öfters im Kraftraum trainieren sah. Und Kemal Erkmen aus dem Areologen-Team, ein grauhaariger Hüne, der als Spezialist für marsianische Höhlen galt und, wenn sie es recht bedachte, auch schon seit Jahren auf dem Mars lebte. Er gehörte zum Kreis derer, die ab und zu Golfturniere veranstalteten, draußen auf den Ebenen im Tharsis-Vorland.
Den Piloten erkannte sie an der Stimme, als er sich über die Lautsprecher meldete. Es war Roger Knight, ebenfalls ein Marssiedler der ersten Stunde. »Wir werden dem Weltraum einen kurzen Besuch abstatten«, erklärte er, »deswegen bitte ich alle darum, sich ordnungsgemäß anzuschnallen. Wir starten in wenigen Minuten.«
Wenn nur wenigstens Ronny kein so beklommenes Gesicht gemacht hätte! Der fürchtete sich doch sonst vor gar nichts, wenn es ums Fliegen ging …
Sie fühlte die Maschinen hochfahren, spürte, wie die anlaufenden Pumpen das Shuttle erzittern ließen, hörte die Raketenmotoren aufbrüllen. Es war laut, ohrenbetäubend laut. Sie sah aus dem Fenster, sah den braunroten Boden abwärts sinken … Also stiegen sie schon! Man merkte kaum etwas davon, weil alles so vibrierte.
Ausatmen! , sagte sie sich.
Im Grunde war es so, wie mit einem Flugboot zu fliegen. Nur noch lauter und noch unruhiger.
Bloß dass es immer weiter und weiter aufwärts ging. Dass sich etwas Schweres auf sie legte, an ihr zog, und das immer mächtiger, je länger es dauerte. Etwas, das ihr die Luft aus den Lungen presste. Puh! Das war jetzt doch anders als in einem Flugboot. Es war ein richtiger Kampf, Atem zu holen.
Mühsam wandte sie den Kopf, spähte hinaus. Der Himmel, der vorhin von kristallenem Hellbraun gewesen war, wurde immer schwärzer, je höher sie stiegen. So also war das, in den Weltraum hinaufzusteigen!
Nach einer ziemlich langen und anstrengenden Viertelstunde verstummte das Dröhnen des Triebwerks von einem Moment auf den anderen mit einem knallenden Geräusch. Arianas Magen machte einen Sprung nach oben, unwillkürlich schnappte sie nach Luft. Es fühlte sich an, als sei sie von einem Katapult in die Luft geschleudert worden – bloß dass sie sich gar nicht bewegte, nirgends anzukommen schien!
Das musste die Schwerelosigkeit sein, begriff sie. Eigenartiges Gefühl. Gut, dass sie angeschnallt war.
»Nun müssen wir uns etwas gedulden«, kam die Durchsage des Piloten. »Wir haben eine Umlaufbahn erreicht, auf der wir nun etwa drei Stunden bleiben werden – nicht ganz zwei Umläufe um den Mars –, ehe wir mit dem Abstiegsmanöver beginnen. Zweimal um den Planeten sieht auf den ersten Blick etwas umständlich aus, ist aber der energiesparendste Weg. Den Typ von Umlaufbahn, den wir fliegen, nennt man übrigens einen HEO , einen Hochgradig Elliptischen Orbit . In etwa … na, einer guten halben Stunde erreichen wir das Apogäum der Bahn; von dort wird sich dann ein prächtiger Blick hinab auf den Planeten bieten.«
Ariana sah hinaus. Das war jetzt doch ziemlich sensationell, das musste sie zugeben. Erstaunlich, dass Ronny so still war.
Das Abstiegsmanöver rief Erinnerungen in Tom Pigrato wach, an seine Ankunft auf dem Mars vor zweieinhalb Jahren. Die letzte Etappe mit dem Shuttle abwärts, hinab auf diesen Planeten, der ihm damals so unwirtlich, so unheimlich erschienen war … Nun, unwirtlich fand er den Mars immer noch. Er spähte aus der Luke. Die Planetenoberfläche kam rasch wieder näher, mit anderen, fremden Bergformationen, mit fremden Farben, und dann setzte das Raumfahrzeug schon auf, mit einem kolossalen Schlag, der klang, als habe mindestens eines der Landebeine einen Felsblock unter sich zertrümmert.
Der Lautsprecher knarzte. »Wir sind gelandet, wie Sie gemerkt haben; Sie können die Anschnallgurte jetzt lösen. Unsere Uhren zeigen zwölf Uhr sieben – allerdings ist das die Zeit der Siedlung. Da wir uns etwa sechzig Grad östlich davon befinden, ist die lokale Zeit vier Stunden weiter; es ist hier also etwa sechzehn Uhr.«
Pigrato spähte aus dem Fenster. In den letzten Tagen hatte er die
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