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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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an.
     
    Das Wasser des Jordan, des heiligen Stromes, der Judäa Fruchtbarkeit schenkte, war für die Jahreszeit überraschend warm, stellte Salome fest, als sie ihren nackten Körper hineingleiten ließ. Der Monat shvat brachte frische Winde und den meisten Regen im Kreislauf des Jahres, doch der Fluss kühlte nur langsam ab. Wenige sonnige Tage genügten, um ihn für ein angenehmes Bad zu nutzen. Doch Salome war nicht aus Vergnügen ins Wasser gestiegen, sondern weil der Brauch gebot, dass eine Frau am Tag ihrer Hochzeit in einem von einer Quelle oder vom Regen gespeisten Gewässer ein rituelles Tauchbad, das miqve , zu absolvieren habe.
    Sie warf einen letzten Blick auf die lange Reihe der Uferpalmen und nahm einen tiefen Atemzug der feuchten Luft, bevor sie vollständig in den Jordan eintauchte und einige Sekunden unter Wasser blieb. Nun galt sie als gereinigt. Gleich darauf entstieg sie wieder den trägen Fluten und stapfte über die glatten Steine zum Ostufer zurück, wo ihre Mutter bereits mit einem Laken auf sie wartete.
    Herodias umhüllte sie mit dem riesigen Tuch und rieb sie trocken.
    »Warum schaust du so ernst?«, fragte Herodias mit schiefem Mund. »Du wolltest doch diese Heirat, nicht ich. Nur meiner Großmut hast du es zu verdanken, dass ich dir die Hochzeit nicht untersage.«
    »Du kannst deine so genannte Großmut behalten«, erwiderte Salome schroff. »Wir wissen beide, dass du nur deswegen zugestimmt hast, weil du dich sonst gegen die Wünsche des Prokurators gestellt hättest. Du und dein neuer schleimiger Mann wollt euch gut mit ihm stellen, um eines Tages weitere jüdische Provinzen zu erhalten – oder sogar das ganze Land.« Salome lachte bitter auf und fuhr fort: »Ich hätte so gern das Gesicht dieser Kröte Antipas gesehen, als er hörte, dass er seinen schönen Hafen wieder verliert, und deines erst recht. Wahrscheinlich habt ihr euch eine ganze Nacht lang schwarz geärgert.«
    »Hör auf so zu reden, oder …«
    »Oder gar nichts. Du hast mir die längste Zeit Befehle erteilt, damit ist von heute an Schluss. Und lasse dir bitte nicht einfallen, mich und meinen Mann zu besuchen.«
    Salome rieb sich mit wärmendem Aloe ein und schlüpfte in die wollweißen Unterkleider, ohne ihre Mutter anzusehen.
    »Wie undankbar du bist«, zischte Herodias. »Weißt du überhaupt, dass du es mir zu verdanken hast, Fürstin von Ashdod geworden zu sein?«
    »Oh ja, mittlerweile ist mir auch das klar geworden. Fälschung, Lüge und Betrug, wo du gehst und stehst. Wie viele Leben hast du ausgelöscht: Timon, Haritha, Vater …«
    »Ich habe nicht …«
    Salome ließ sie nicht zu Wort kommen. »Wenn du es aus Liebe zu mir getan hättest, würde ich dir ebenso wenig verzeihen können, aber ich würde dich dann nicht verachten. Du aber tust das alles nur für dich allein, für deinen Ruhm und Reichtum.«
    Über die Wäsche legte sie ein zimtfarbenes Gewand mit rotem Kopfschleier an, dazu den Bronzeschmuck, den Haritha ihr geschenkt hatte. Der Wind trug den sanften Geruch von Winter und Zitronen heran, und Salome blickte in die tief hängenden Wolken, die von Südwesten gen Jordan zogen.
    »Es wird Zeit«, sagte sie. »Sonst werde ich noch im Regen getraut.«
    Stumm ging Salome voran, gefolgt von Herodias und einigen Dienerinnen. Sie stiegen die nassen, erdigen Dünen der Flusssenke hinauf. Sattgrüne Grasflächen, unterbrochen von Olivenhainen und den gelben Mauern der Stadt Bethsaida, erstreckten sich bis zum Horizont. Alles Land hier östlich des Jordan gehörte ihrem Onkel und künftigen Gemahl Philipp – und, noch bevor die Sonne versank, auch ihr. Sie blickte sich nicht neugierig um wie als Kind in Jerusalem oder Ashdod. Festen Schrittes ging sie auf die Gesellschaft zu, die bereits auf sie wartete.
    Es waren alle da, die Rang und Namen hatten, doch keiner bereitete Salome Freude. Antipas war verärgert, weil er mit dieser Heirat seinen ersehnten Hafen verlor, Rabban Jehudah blickte sie aus großen, dunklen Augen an, Pilatus beklagte sich über den feinen Nieselregen, der seine Toga benetzte, Berenike sah neben ihrem Mann Kephallion bekümmerter aus denn je, und Kaiphas, der neue Hohepriester, der eigens aus Jerusalem gekommen war, schien sich für die Zeremonie nicht im Mindesten zu interessieren. Reich gekleidete Höflinge und deren Frauen bildeten einen Halbkreis hinter den Edlen und dem Bräutigam, es war für einen professionellen ba’al kiddushin gesorgt worden, einen Zeremonienmeister, ebenso wie

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