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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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für einen badchan , der beim anschließenden Festmahl die Leute mit Schabernack unterhalten würde. Und doch fehlten dem Ereignis jeglicher Glanz und jede natürliche Heiterkeit, so jedenfalls empfand es Salome.
    Bei der Festgesellschaft angekommen, fing ein Schreiber sie ab. »Verzeih, Fürstin. Die ketubba … «
    Sie nickte. Die Abschließung eines Ehevertrages war Pflicht und Vorsorge zugleich. Der Sinn der ketubba war, dass die Ehefrau auch bei Tod des Gatten oder Scheidung die eingebrachte Mitgift zurückerhielt, um nicht sofort in Armut zu fallen. Da sie Ashdod in die Ehe einbrachte, also eine reiche Mitgift, war der Ehevertrag umso wichtiger. Nur wenn sie selbstverschuldet eine Scheidung herbeiführte, also zum Beispiel durch anstößiges Verhalten, konnte ihr Ashdod genommen werden.
    Sie unterschrieb neben Philipps Namen. Die Zeremonie konnte beginnen.
    Der Baldachin, unter dem sie getraut werden sollten, war mitten in einem Olivenhain aufgestellt, ebenso die Tische und Bänke für das anschließende Festmahl. Hochzeiten im Freien waren nicht ungewöhnlich, wenn auch im Winter eher selten. Sie hatte ihrem künftigen Gemahl bei der Wahl des Ortes freie Hand gelassen, was die Trauung in einem Hain noch erstaunlicher für sie machte, denn Philipp galt nicht gerade als Gefühlsmensch mit Sinn für Stimmungen. Sein blasses, gut geschnittenes Gesicht war zeitlos, wie aus Marmor geschlagen, und auch seine ganze Haltung war aufrecht und steinern. Er warf ihr kaum einen Blick zu, sondern verharrte steif vor dem kiddushin , der soeben einen gefüllten Weinkelch segnete. Ehrfürchtig nahm Philipp das Gefäß entgegen, trank daraus und reichte es Salome weiter, ohne sie anzusehen. Sie nahm ebenfalls einen Schluck und gab den Kelch dem kiddushin zurück.
    Der Tradition gemäß überreichte Philipp ihr nun ein Gebetbuch als Geschenk, und sie revanchierte sich mit einem Gebetsmantel für ihn. Sie sprachen die Formeln nach, die der kiddushin ihnen vorsagte, dann holte Philipp einen ungewöhnlich fein gearbeiteten bronzenen Ring hervor und steckte ihn an ihren Finger: »Durch diesen Ring bist du mir angelobt nach dem Gesetz Moses und Israels. Siehe, du bist mir geheiligt.«
    Eine Erwiderung durch sie war nicht nötig, denn der Mann nahm die Frau und nicht umgekehrt. Einen Moment lang kam sie in Versuchung, Philipps Worte zu wiederholen und damit auch ihn in Besitz zu nehmen, also ihre Wichtigkeit und Stellung zu betonen, schon allein um Rabban Jehudah und Kephallion zu ärgern. Aber dieses Gefühl war wie ein Strohfeuer, das schon einen Atemzug später in sich zusammenbrach. Sie musste lernen, sich zu beherrschen. Unnötige Provokation brächte sie ihrem heimlichen Ziel nicht näher, eines Tages an Philipps Seite über ganz Judäa zu herrschen.
    Jemand rief masal tov , glücklicher Stern über euch, und die ganze Festgesellschaft stimmte nach und nach in den wiederholt gerufenen Glückwunsch ein.
    Der kiddushin führte Philipp und sie zu einem Felsen, hinter dem Kissen, Decken und Polster zu einer Lagerstatt gebaut worden waren. Dort ließ er sie beide alleine. Niemand konnte sie hier sehen. Erst jetzt, wo theoretisch der Beischlaf stattfinden konnte, galt die Ehe als geschlossen.
    Philipp stand einige Schritte von ihr entfernt und sah auf das Lager wie auf ein ungelöstes Rätsel. Er hätte jetzt auf sie zugehen, ihr den Schleier vom Kopf nehmen und das Gewand ausziehen sollen, doch er sah sie nur an und fragte: »Was meinst du, wie lange sollen wir hier warten?«
    Sie bekam mit einem Mal das Gefühl, dass ihre Ehe sich in diesem Satz spiegeln würde, ja, dass er wie ein Motto ihr ganzes künftiges Leben beherrschen sollte. Warten! Ja, sie hatte Ashdod vor dem Zugriff durch Antipas gerettet, und sie würde weiterhin gegen Menschen wie Rabban Jehudah kämpfen, gegen Vorurteile und überkommene, ungerechte Traditionen ohne Sinn. Sie hatte in Pilatus einen – zugegeben eitlen – Freund gewonnen, dem sie Ratschläge zu einem maßvollen Auftreten der Römer geben konnte, und in Philipp einen Mann, der weder dem furchtsamen, charakterlosen Antipas noch dem ohnmächtigen Archelaos glich. Sie war in Sicherheit, und das war eine gute Basis für alle weiteren Bemühungen gegen die Pharisäer und ihre Dummheit. Ihre Heimat friedlich aus der Klammer von Gewalt, Engstirnigkeit und elitärem Auserwähltheitsdünkel einerseits und den gleichen Fehlern der Römer andererseits zu befreien, das blieb ihre größte Aufgabe.
    Etwas in ihr

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