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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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nachdenken. Schwebt dir eher ein Quadrat vor, verbunden durch sternförmig verlaufende Straßen, oder …«
    Nebeneinander gingen sie die Zypressenallee entlang. Irgendwo sang eine Nachtigall ihr Lied, und weit hinter ihnen brandete der Beifall des begeisterten Publikums auf.

14
    Wie ein Blitz zuckte der Schreck durch Sadoq. Im ersten Moment konnte er weder Menahem noch Kephallion anschauen, die neben ihm auf dem Teppich saßen. Er senkte den Kopf und biss die Zähne zusammen.
    All die Jahre, die seit dem Mord an seinem Vater vergangen waren, hatte er sich an den Glauben geklammert, den Kampf gegen die ungläubigen Unterdrücker gewaltfrei führen zu können. Er hatte gedacht, dass die Römer Judäa räumen würden, wenn sie merkten, wie feindlich ihnen das Volk gegenübersteht. Denn das waren sie nicht gewöhnt. In Gallien, Hellas, Afrika und Ägypten waren sie zwar zunächst nicht freundlich empfangen worden, doch schon nach wenigen Jahren erfreuten die dortigen Völker sich an den Segnungen der römischen Ordnung. Nur in Germanien war ihre Expansion zurückgeschlagen worden, und Sadoq hatte stets gehofft, dass die Römer die Lehre vom Teutoburger Wald, wo ihr Heer besiegt worden war, begreifen und ihre Schlüsse daraus ziehen würden. Die Juden hassten Roms Ordnung, sie akzeptierten sie nicht, warum also zog Rom nicht ab?
    Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann der Erste seiner wichtigsten Gefolgsleute sich gegen seine gewaltfreien Methoden aussprechen würde. Doch dass es gleich so schlimm käme … Kephallion schlug vor, jeden Rabbiner zu ermorden, der den Zeloten ablehnend gegenüberstand, und ablehnend hieß in Kephallions Definition, jeden, der nicht ausdrücklich für die Zeloten sprach. Damit sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass die Geduld der »Eifernden«, der Zeloten, zu Ende sei und dass nun eine neue Phase begänne.
    Sadoq zitterte ein wenig, als er sich erhob und, die Hände unter den Achseln verborgen, den Raum durchschritt. Vor einer der Fackeln an den Wänden blieb er stehen und betrachtete ihre züngelnde Flamme. Ein Inferno, das sah er. Er wusste, dass die Gesetze der Gewalt keinem gewöhnlichen Schema folgten, dass sie die Eigenart besaßen, sich zu verselbstständigen und der Kontrolle ihrer Verursacher zu entziehen. Aus einem Dolchstoß konnte ein Aufstand werden, aus einem Aufstand ein Krieg, aus dem Krieg ein Inferno. Es war gut möglich, dass Kephallions Vorschlag eines Tages in etwas mündete, das sich keiner, nicht mal in den schlimmsten Albträumen, vorstellen konnte – oder aber an das Ziel ihrer Wünsche führte, auch das war möglich. Die Gewalt verhüllte sich stets in weiten, undurchsichtigen Gewändern. Sie versprach viel, aber sie war die schlimmste Lügnerin auf Erden.
    Plötzlich wandte er sich von der Flamme ab und sah Kephallion an, dessen Gesicht seit einigen Jahren von einem dichten, schwarzen Bart verhüllt wurde. Der Bursche hatte es weit gebracht, in jeder Hinsicht. Am Hof des Tetrarchen in Tiberias hatte er sich jahrelang, seit dem Tod seines Vaters, stets unauffällig und gefügig gezeigt. Niemand dort bemerkte, dass Kephallion spionierte, dass er schon im Voraus wusste, wo und wann die Schergen des Tyrannen ihre Schläge gegen die Zeloten planten oder der Bevölkerung die hohen Steuern abpressen wollten. Dadurch konnten die Zeloten nicht nur sich selbst, sondern auch ganzen Dörfern helfen, deren Dankbarkeit ihnen weiteren Zulauf verschaffte. Kephallion verbarg seine Sache so geschickt, dass Antipas und die Pharisäer ihm vor zwei Jahren sogar das Amt des Toparch , des Verwalters, von Nazareth übertrugen. Hier residierte der Herodianer nun in einem geräumigen Haus im besten Stadtteil.
    Sadoq hätte sich nie vorstellen können, einmal unter dem Dach eines Herodianers zu sitzen, eines Mitglieds jener Familie, die er einst verflucht hatte, doch er fühlte sich hier sicher. Auf dem Boden standen Platten voll mit Hühnerkeulen, Kalbsbraten, gefüllten Auberginen und Dattelkuchen, die irdenen Kelche waren gefüllt mit Wein vom See Genezareth, und ein Kohlenbecken verbannte die Kälte der galiläischen Nacht vor die Tür. Vorbei war die Zeit, in der sie sich wie Verbrecher in muffigen Kellergewölben verstecken mussten, vorbei auch die Zeit, als sie, Fledermäusen gleich, nur nachts leben durften. Kephallion hielt unsichtbar seine schützende Hand über sie. Sadoq verdankte ihm viel, und trotzdem war ihm der Bursche fremd und manchmal sogar unheimlich.
    Mehrmals

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