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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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eine Woche in Philippi. Am Vorabend ihrer Abreise machte sie einen Spaziergang mit Timon zu dem Ort, wo sie sich zwei Jahre zuvor zum ersten Mal geliebt hatten. Sie waren sehr vorsichtig und gingen im Abstand von einigen Minuten den Pfad durch das Gebirgsmassiv. Am Ende des verschlungenen Weges, das Hule-Tal zu ihren Füßen, trafen und küssten sie sich. Durch das junge Laub der Bäume schimmerte der Quellfluss des Jordan wie ein silberner Streifen im Sonnenlicht. Der Frühlingsabend war noch hell, der Blick ging weit nach Süden über die Wipfel der Palmen und Platanen hinweg, und Wogen von Wärme strahlten vom Gestein der Berge zurück.
    Hand in Hand stiegen sie auf einem nicht ganz ungefährlichen Weg in das Tal hinunter, wobei Salome ihren Geliebten immer wieder stützte. Timon konnte schon wieder ohne Krücke gehen, lief allerdings noch etwas unsicher und war daher froh, als er sich am Ufer des kleinen Flusses endlich setzen konnte.
    »Damals sind wir ans andere Ufer gewatet«, erinnerte er sich. »Du hast mich mit Schlamm beworfen.«
    »Erst nachdem du mich einfach in den Dreck hast fallen lassen«, protestierte sie lächelnd.
    »Ich habe dich ein Luder genannt.«
    »Wie empört ich darüber war – natürlich nur äußerlich. Insgeheim habe ich es als Kompliment aufgefasst.«
    Timon legte sich ins Gras und blickte Salome lange an. Dann sagte er: »Ich habe etwas getan, das dich wieder empören wird.«
    »Du bist heimlich geritten, obwohl der Arzt sagte …«
    »Falsch.«
    Sie legte sich neben ihn und riet weiter. »Du bist mit einem Wassermädchen im Mondschein spazieren gegangen.«
    »Falsch.«
    »Dann kann es nicht wirklich empörend sein.«
    »Warte ab. Ich habe deinem Mann einen Brief geschrieben.«
    Salome richtete sich wieder auf. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und zu begreifen, was er ihr damit sagen wollte, doch es gelang nicht. Ihr fiel kein Grund ein, weshalb Timon etwas von Philipp erbitten oder worüber er ihn informieren wollte.
    Sie wurde ernst. »Weiter«, sagte sie, Schlimmes ahnend.
    »Höre mir bitte zu, bevor du protestierst. Ich weiß, du meinst es gut, wenn du auf eigene Faust nach den Hintermännern der Anschläge suchst. Aber so etwas ist gefährlich, und du hast darin keine Erfahrung – im Gegensatz zu mir.«
    »Oh ja«, platzte sie dazwischen. »Der Held von Ashdod, der die Mörder seines Vaters bestrafen wollte und am Ende im Steinbruch von Ephesos sein Dasein fristete.«
    »Bat ich dich nicht, mich ausreden zu lassen?«, fragte er ohne Ärger in der Stimme. Dann fuhr er fort. »Ashdod ging nicht gut für mich aus, das ist wahr. Aber ich habe dort trotzdem die Wahrheit herausbekommen, und das kann uns zu zweit in Masada auch gelingen. Meine Anwesenheit wird den oder die Schurken womöglich beunruhigen und zu einem weiteren Attentat verleiten.«
    »Herzlichen Glückwunsch. Du erwartest doch wohl nicht, dass ich nun Purzelbäume schlage?«
    »Ich werde vorbereitet sein, Salome. Gib zu, dass der Plan gut ist.«
    »Nur, wenn man auf elegante Art Selbstmord begehen will«, entgegnete sie.
    Er seufzte und blickte in den Himmel. »Diese Reaktion habe ich vorausgesehen und mir deshalb von deinem Mann die Erlaubnis geholt. Heute kam seine Antwort. Er hat mich in euer Gefolge aufgenommen, das mit euch zu dem Treffen nach Masada zieht. Die Sache ist beschlossen. Du kannst nichts mehr dagegen tun.«
    Salome wusste nicht, was sie darüber denken sollte. Ihr Mann und ihr Geliebter verbündeten sich also miteinander – wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre, wäre sie zum Lachen. Timons Abenteuergeist überraschte sie dabei noch am wenigsten; dass Philipp jedoch mitspielte … Er verhielt sich in letzter Zeit wirklich seltsam, geradezu impulsiv. Salome glaubte nicht, dass die Aussicht auf den Königstitel, seine verschwundenen Kopfschmerzen oder die raschen Fortschritte beim Bau von Philippi die Ursache dafür waren. Irgendetwas anderes beflügelte ihn.
    Wortlos lagen sie nebeneinander und blickten in den Strom, der im verzauberten Dämmerlicht der Abendstunde träge schimmerte. Langbeinige Vögel standen reglos auf den Sandbänken, bevor sie sich ins Dickicht des Schilfs zurückzogen oder zu den runden Horsten auf den Baumkronen aufschwangen, und wilde Esel und Steinböcke löschten, sprungbereit nach allen Seiten witternd, ihren Durst. Die Tiere und das versiegende Licht, der Geruch des Schilfes und das Frühlingsgrün der Bäume, all das beruhigte Salome, und als Timon seinen Kopf

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