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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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leidend, sah er nicht aus wie der Herr eines Imperiums, nur seine durchdringenden Augen ließen ahnen, dass er nicht durch Zufall so mächtig geworden war. Sie hatte ihn nie unterschätzt, und genau darum wusste sie, wie sie mit ihm umgehen musste.
    Obwohl sie die Antwort kannte, fragte sie: »Nun, wie geht es dir?«
    Er brummte etwas vor sich hin und hielt ihr seinen Arm entgegen, über dem die Toga lag. Augustus hätte genug Diener gehabt, die ihm das umständliche, faltenreiche Kleidungsstück über die Tunika anziehen konnten, aber manchmal kam er damit zu ihr. Sie tat ihm stets gerne den Gefallen, und heute ganz besonders, denn er ersparte ihr damit einen Weg und schaffte ihr einen hervorragenden Vorwand, ein Gespräch zu beginnen, das nötig war.
    »Musst du wieder Gesandtschaften aus den Provinzen empfangen?«, fragte sie. »Woher diesmal? Germanien? Africa? Armenien?«
    »Judäa«, antwortete er mundfaul.
    »Ach richtig«, rief sie und warf ihm die Toga über die linke Schulter, so dass ihm der Stoff vorne und hinten bis zu den Füßen reichte. Dann ging sie um ihn herum und setzte die Ankleide mit geübten Bewegungen fort. »Die herodianische Familie lässt sich ihr Testament bestätigen. Du wirst es natürlich tun, nicht wahr? Immerhin hat dein alter Bundesgenosse Herodes dir, mir und meinem Sohn einen ordentlichen Geldbetrag hinterlassen. Tiberius und ich werden unseren Teil stiften, für einen Tempel vielleicht oder für ein paar Rennen im Circus.«
    Diese Regelung zugunsten von ihr und Tiberius im Testament des Herodes ging zweifelsohne auf den heimlichen Einfluss Akmes zurück. Livia wusste nicht, ob Augustus ihrem Sohn das Geld gönnte, denn er mochte ihn nicht; er würde jedoch einsehen müssen, dass dieses Erbe und seine Verwendung die Beliebtheit von Tiberius förderten – und ihn ein Stück weit dem römischen Thron näher brachten. Doch Augustus ging nicht darauf ein, sondern redete ausschließlich von dem Ärger, den er befürchtete.
    »Sie werden mich belästigen«, erklärte er ungehalten. »Die ganze Sippe reist an, mit Frauen und womöglich mit schreienden Kindern. Sie werden ihre Familienstreitigkeiten vor mir ausbreiten wie Waschweiber und sich gegenseitig diskreditieren. Jeder von ihnen wird mich mit schwülstigen Worten umschmeicheln und um den Königstitel buhlen. Grinsen werden sie, allesamt. Ich hasse das.«
    Livia verzog das Gesicht. »Ich gebe dir Recht«, sagte sie empört. »Das ist ein schlechter Stil und zeigt, wie ungeordnet die Verhältnisse in Judäa nun sind. Und dieser Erbe, dieser Archelaos, scheint die Dinge nicht annähernd so gut im Griff zu haben wie sein Vater. Gab es nicht erste Unruhen in der Gegend? Was, wenn die Juden sich offen gegen ihn stellen?«
    Augustus sah zu, wie Livia eine weitere Stoffbahn der Toga über seinen linken Arm drapierte, so dass sie besonders würdevoll fiel. Doch seine Gedanken waren woanders. »Die Perser könnten sich die wirre Situation zunutze machen.«
    »Du sagst es«, gab ihm Livia nachdrücklich Recht, wobei ihr die Perser jedoch ziemlich egal waren.
    »Andererseits kann ich doch das Testament des Herodes nicht völlig ignorieren«, klagte Augustus.
    »Natürlich nicht. Du könntest es allerdings – wie drücke ich es am besten aus? – modifizieren. Gestalte die Dinge so, wie sie für Rom günstig sind, nicht für irgendwelche Bengel eines zweitklassigen Schutzkönigreiches. Und vor allem: Überstürze nichts. Lasse dir mit deiner Entscheidung viel Zeit, denn du hast sie. Wie sagst du immer: Schnell genug getan, was gut genug getan.«
    Augustus’ Miene hellte sich ein wenig auf, und als Livia ihm zu verstehen gab, dass die Toga fertig gewickelt sei, nahm er sie an beiden Schultern und gab ihr dankbar einen Kuss.
    »Du hilfst mir in so vielen Dingen, kümmerst dich um meine Belange …«
    »Ich bitte dich.« Sie lächelte ihn verlegen an. »Dafür ist eine Frau doch da.« Noch einmal strich sie mit ihren feingliedrigen Fingern am Stoff entlang, um sich zu vergewissern, dass er richtig saß, denn ihr Gemahl war einen halben Kopf kleiner als sie, und die weite Toga durfte nicht über den Boden schleifen. Doch sie stellte fest, dass Augustus’ Bauch die geringe Körpergröße wieder ausglich. Sie lächelte ihren Gemahl wie eine schöne Erinnerung an und nickte ihm aufmunternd zu.
    Er machte sich ohne sie auf den Weg zum Audienzsaal, so wie es immer gewesen war. Aber dort angekommen, würde er ihre Worte im Munde führen.
    Während

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