Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
noch davon. Ich weiß nicht mal, wer dieser Pink Floyd ist. Ich liebe Volksmusik. Sie verstehen?«
Schmalenbach ging langsam ein Licht auf. 1978. Pink Floyd. Gudrun Sirzenich. Eine kleine Kurzhaarige mit einer ziemlich beeindruckenden Figur. Er war mit ihr ausgegangen. Sie hatten sich auf S-Bahnhöfen geküsst. Er hatte sie mit auf seine Studentenbude genommen. Es war ganz nett gewesen. Aber da war noch ein anderer. Ein Rivale. Ihre Entscheidung fiel gegen Schmalenbach aus. Er hatte ein paar Tage getrauert, einen über den Durst getrunken und war dann zu der Ansicht gekommen, dass es gut so war. In den Händen des Rivalen war sie besser aufgehoben, denn der stand kurz vor der ersten Prüfung zum Gerichtsvollzieherdiplom. Robert Kafka.
»Wie geht es ihr?«, fragte Schmalenbach leise. »Die gute Gudrun. Sie hat auf dem Konzert immer mitgesungen, obwohl sie gar nicht singen konnte.«
»Kein Thema. Sie hat eine Stimme wie ein Reibeisen«, stimmte Robert Kafka zu.
Schmalenbach atmete auf. »Grüßen Sie sie von mir!«
»Sie wartet unten im Wagen.« Robert Kafka stellte sich in Positur. »Ich gebe Ihnen Gudrun feierlich zurück.« Er machte ein verschmitztes Gesicht. »Alles noch dran.«
Schmalenbach wurde wütend. »Ich bin seit einer Ewigkeit mit Elke zusammen. Und ich will Gudrun Sirzenich nicht!«
Robert Kafka ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ich halt’s einfach nicht mehr aus. Diese ständige Nörgelei.«
»Das verstehe ich, Herr Kafka. Wenn ich mich auch oft nach Gudruns Kochkünsten sehne.«
»Kein Thema. Die Kohlrouladen macht ihr keiner nach.«
An Kohlrouladen konnte sich Schmalenbach nicht mehr erinnern.
»Und im Bett ist sie eine Eins«, behauptete Herr Kafka versonnen.
Auch das war Schmalenbach entfallen. »Ich denke vor allem an das Menschliche, Kafka.«
Herr Kafka nickte bedeutungsvoll. »Menschlich ist sie unersetzlich.«
Schmalenbach war ihm dankbar, dass er diesmal auf »Kein Thema« verzichtet hatte. »Also, ich an Ihrer Stelle würde Gudrun für keinen Preis der Welt hergeben.«
Herr Kafka fiel in sich zusammen. »Wenn sie bloß nicht immer so an mir rumnörgeln würde. Bin ich denn wirklich so unerträglich?«
Schmalenbach hob die Stimme. »Sie sind eine gepflegte Erscheinung. Nur dass Sie Gudrun loswerden wollen, das wirft kein gutes Licht auf Ihren Charakter.«
Herr Kafka schlug die Hände vors Gesicht. »Glauben Sie mir, ich bin in einer Notsituation. Ich halt’s einfach nicht mehr aus, dieses endlose Gezeter. Und dass sie mir bei jeder Gelegenheit Ihr Beispiel vor Augen führt – das macht mich wahnsinnig. Könnten Sie … ich meine, würden Sie mit ihr reden, ihr sagen, dass ich eigentlich nicht so übel bin?«
Also einigten sie sich darauf, dass Kafka am nächsten Abend mit Gudrun ins »Promi« kommen würde.
Schmalenbach legte sich alles haarklein zurecht. Er würde Gudrun ins Gewissen reden. Ihr sagen, dass er zwar auch noch was für sie empfand, wenn auch nicht so viel wie sie für ihn, dass sie aber vernünftig sein mussten. Auf keinen Fall wollte Schmalenbach einen Zweifel aufkommen lassen. Wobei, wenn er sich recht erinnerte, war sie ein verdammt hübsches und intelligentes Ding …
Nein, das war unmöglich. Und unmoralisch. Mochte Gudrun Sirzenich noch so verknallt in ihn sein, Schmalenbach würde nicht schwach werden.
Er besprach die Sache natürlich mit Pfeifenberger. Der konnte sich noch gut an die Sirzenich erinnern. »Mann, war das ein scharfes Geschoss! Ich hatte ja mal ’ne kleine Affäre mit ihr. Wir waren zusammen auf ’nem Konzert. Deep Purple. Aber wir haben uns dann aus den Augen verloren. Wenn ich du wäre, würde ich die Situation ausnutzen. Ein Wochenende im Taunus, und danach würde ich sagen: Sorry, Gudrun.«
Was konnte Pfeifenberger einer Frau wie Gudrun Sirzenich schon bieten? Der war doch viel zu einfach gestrickt.
Schmalenbach war ziemlich aufgeregt. Er trank sich Mut an. Gudrun konnte ihm das Blaue vom Himmel versprechen, er würde Kafka nicht die Frau wegnehmen. Er würde den guten Einfluss, den er auf sie hatte, geltend machen.
Gudrun Sirzenich färbte sich neuerdings die Haare. Ansonsten war sie noch die Alte. Ein Klasseweib. Als sie das »Promi« betrat, überlegte Schmalenbach fieberhaft, wie er Kafka plausibel machen konnte, dass er seinen Einfluss auf Gudrun am besten an einem Wochenende im Taunus geltend machen konnte. Als das Vollweib mit ausgebreiteten Armen auf ihn zusteuerte, war Robert Kafka jedoch kein Thema mehr für
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