Die Schlucht
»Gültig ist der Vertrag ja ohnehin nicht, denn er ist zwar von Neville Guile, aber nicht von Hartland Trent unterschrieben. Außerdem hat jemand in Großbuchstaben › ABGE LEHNT ‹ über das ganze Schriftstück geschrieben.«
»Das wird wohl Trent gewesen sein«, sagte Paula.
»Schon möglich«, erwiderte Tweed. »Aber jetzt müssen wir wirklich von hier verschwinden und der Polizei den Mord melden …«
Sobald Tweed den abgelehnten Kaufvertrag in seine Aktentasche gesteckt hatte, in der sich bereits die Fotos der beiden ermordeten Frauen befanden, gingen die beiden zurück zur Eingangstür.
Tweed, der noch immer die Latexhandschuhe trug, wischte mit einem Taschentuch seine Fingerabdrücke von Klopfer und Türknauf. Als sie dann gemächlich die lange Treppe nach unten gingen, hängte sich Paula bei Tweed ein. Sollte sie jemand aus einem der Häuser beobachten, würde er sie für ein Liebespaar halten, das einen Ausflug nach Gunners Gorge gemacht hatte.
Unten angekommen, stiegen sie wieder in ihren Audi. Tweed wollte gerade losfahren, als Paula ihm ein Blatt Papier reichte.
»Das lag ebenfalls in der Zeitung, aber Sie haben so zum Aufbruch gedrängt, dass ich es Ihnen erst jetzt zeigen kann.«
Oben auf dem Blatt war ein gedruckter Briefkopf mit der Adresse vom Twinkle Cottage zu sehen. Trent hatte auf den Bogen eine kurze Notiz geschrieben, die an Lord Bullerton gerichtet war:
Vielleicht interessiert es Sie und Ihren Partner
zu erfahren, dass ich meine Tochter in ein sicheres
Versteck im Ausland geschickt habe.
Unterschrieben war die Notiz von Hartland Trent.
Tweed gab Paula den Brief mit düsterer Miene zurück. »Ich finde das höchst bedenklich. Offensichtlich konnte Trent den Brief nicht mehr abschicken. Mittlerweile glaube ich fast, dass wir es hier mit einem der bestialischsten Verbrecher zu tun haben, die uns je untergekommen sind. Deshalb dürfen wir nicht zimperlich sein, wenn es gilt, ihm das Handwerk zu legen.«
Tweed wollte gerade den Wagen starten, als er sah, dass Harry Butler auf sie zugerannt kam. Tweed ließ das Fenster herunter und fragte: »Wo ist Ihr Wagen?«
»Gut versteckt in der Hotelgarage. Aber es gibt etwas, was Sie unbedingt wissen müssen.«
»Und das wäre?«
»Neville Guile ist hier. Ich habe von einem Versteck aus Hobart House mit einem Feldstecher beobachtet und gesehen, wie Bullerton ihn aus der Tür geleitet und sich herzlich von ihm verabschiedet hat. Guile war derart verkleidet, dass ich ihn fast nicht erkannt hätte. Als er in seinen Wagen stieg, bin ich im nachgefahren und habe beobachtet, wie er sich im Nag's Head ein Zimmer gemietet hat. Und zwar die Nummer 27.«
»Haben Sie ihn auch wirklich erkannt in seiner Verkleidung?«, fragte Tweed skeptisch.
»Ich verstehe mein Handwerk, das müssten Sie eigentlich wissen«, erwiderte Butler. »Außerdem habe ich einen Blick auf die Gästeliste geworfen, als er hinauf in sein Zimmer gegangen und der Wirt wieder in seinem Hinterzimmer verschwunden war. Guile hat sich unter seinem richtigen Namen eingetragen.«
»Und wie sieht seine Verkleidung aus?«, fragte Paula.
»Er trägt eine karierte Sportjacke und eine getönte Hornbille und tut so, als würde er ein wenig hinken. Außerdem ist er nicht mit Rolls-Royce und Chauffeur unterwegs, sondern in einem großen grauen Citroën. Und noch etwas habe ich entdeckt: eine kleine Hütte, die nicht weit von Hobart House in einem kleinen Wäldchen verborgen liegt. Kann sein, dass Guile sie als Versteck genutzt hat.«
Vielleicht, dachte Paula, hat er in der Hütte darauf gewartet, dass Trent den Vertrag unterschreibt.
»Und was ist mit Lepards Killerbande aus dem East End?«, fragte Tweed.
»Ich habe mich bei Bob Newman erkundigt. Die Killer sind noch in London. Nur zwei von ihnen sind verschwunden.«
»Wissen wir, um wen es sich handelt?«
»Einen von ihnen habe ich sogar schon entdeckt. Einen brutalen Typen mit einem richtigen Schlägergesicht. Ned Marsh heißt er. Klein, stämmig, Hakenhase und Hasenscharte. Er ist mittlerweile auch hier eingetroffen.«
»Wo ist er?«, fragte Tweed.
»Als ich aus der Garage kam, habe ich gesehen, wie er sich heimlich ins Nag's Head gestohlen hat. An der Rezeption war gerade niemand, und er ist die Treppe hinaufgehuscht und verschwunden. Ich habe in der Gästeliste nachgesehen. Er hat sich nicht eingetragen.«
»Die Lage spitzt sich zu …«
Tweed erzählte Harry kurz, dass sie Hartland Trend tot aufgefunden hatten. »Vielleicht hat
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