Die Schlucht
dieser Ned Marsh ihn umgebracht.«
»Das möchte ich bezweifeln. Er gilt zwar als sehr gewalttätig, aber bisher hat er noch niemanden umgebracht. Ich habe übrigens noch ein Geschenk für Sie.« Harry reichte Tweed ein kleines schwarzes Gerät, das wie ein winziges Handy aussah. »Das könnten Sie vielleicht noch gebrauchen«, erklärte er. »Es ist das neueste Spielzeug von den Eierköpfen in der Park Crescent. Sie schalten es an und gehen damit durch einen Raum, bis das rote Licht angeht. Das bedeutet, dass irgendwo eine Wanze installiert ist. Wenn Sie eine gefunden haben, drücken Sie diesen Knopf hier. Der Apparat sendet dann ein stark gepulstes Funksignal aus, das die Wanze mit hundertprozentiger Sicherheit zerstört. Wenn der Raum dann abhörsicher ist, leuchtet eine grüne Lampe auf. Etwas Besseres auf diesem Gebiet finden Sie auf der ganzen Welt nicht.«
Als sie von dem Wasserfall zurückgekommen waren, waren sie an einem Fenster vorbeigefahren, hinter dem ein Mann an einem Tisch saß und durch einen dichten Vorhang die Straße beobachtete.
Lepard wünschte, er hätte einen Drink, mit dem er das Ereignis gebührend feiern könnte. Die Fahrt auf der Zielstrecke war offenbar Tweeds liebster Zeitvertreib geworden.
Lepard beschloss, dass er höchstpersönlich die Panzerfaust auf ihn abfeuern würde, die Tweed und dessen Audi in Flammen aufgehen lassen würde.
Er konnte es kaum erwarten, bis es so weit war.
12
Als sie die Eingangshalle des Hotels betraten, kam Falkirk gerade die Treppe herunter. Als Tweed ihn sah, hob er eine Hand und bedeutete ihm, zu schweigen und sich mit ihm nach oben zurückzuziehen, da er ihn sprechen wolle.
Paula wandte sich ab und entdeckte auf dem Sofa in der Eingangshalle mit dem Rücken zur Treppe einen Mann, den sie auf Anhieb erkannte. Es war Lance Mandeville.
Mandeville sprang auf und drückte ihr fest die Hand. Er war wie immer elegant gekleidet, diesmal ganz in Weiß: weiße Hosen, weißes Jackett und ein weißes Hemd, das er am Kragen offen trug. Abgerundet wurde sein Outfit durch weiße Schuhe mit auf Hochglanz polierten braunen Spitzen. Paula gestand es sich zwar nur ungern ein, aber er sah wirklich umwerfend gut aus.
»Ich warte hier schon ewig auf Sie«, hob er an.
»Hoffentlich haben Sie sich dabei entspannt.«
»Ich wollte Sie gern etwas fragen. Wollen Sie sich vielleicht einen Augenblick zu mir setzen?«
Paula nickte und ließ sich neben Mandeville, der inzwischen wieder Platz genommen hatte, nieder. Sofort rückte er ein Stück näher und blickte sie aus seinen mandelförmigen Augen mit schmachtenden Blicken an, die Paula höchst unangenehm waren.
»Ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht Lust hätten, heute Abend mit mir auszugehen, wenn Mr Tweed bei meinem Vater zum Abendessen ist. Wir könnten ins Marcantonio's gehen. Das ist ein sehr exklusiver Club in der High Street. Mögen Sie Champagner und Kaviar?«
Er legte ihr eine Hand auf den Unterarm und ließ seinen ganzen Charme spielen. Lance wusste schon, wie er Frauen um den kleinen Finger wickeln konnte, das musste Paula ihm lassen. Sie blickte ihm direkt in die Augen.
»Wäre es Ihnen vielleicht möglich, Ihre Finger von mir zu lassen? Außerdem mag ich weder Champagner noch Kaviar. Also vergessen Sie die ganze Idee und ziehen Sie Leine.«
Lance ließ ihren Arm los und schnaubte verächtlich. Sein Mund, der gerade noch verbindlich gelächelt hatte, verzog sich zu einem gemeinen, überheblichen Grinsen.
»Ich dulde es nicht, dass Sie so mit mir reden«, sagte er. »Keine Frau redet so mit mir. Ich bin der Sohn von Lord Bullerton.«
»Dann suchen Sie sich doch eine Frau, die nicht so wählerisch ist wie ich und sich von Ihnen den Koffer vor die Tür stellen lässt, wenn Sie von ihr genug haben.«
Paula stand auf und ging hinüber zum Wirt, der gerade hinter den Tresen am Empfang getreten war. Er begrüßte sie höflich und flüsterte ihr, nach vorn gebeugt, zu: »Im Salon wartet ein Gentleman auf Sie.«
Paula fragte sich, wer das sein konnte, und vermutete fast, dass es Archie MacBlade war. Sie öffnete die Tür zum Salon, trat ein und schloss sie dann wieder hinter sich. Plötzlich hielt sie inne.
In der Mitte des Salons stand ein Mann, der ihr den Rücken zukehrte. Erst nach einer Weile drehte er sich um, und sie sah, wer er war: Neville Guile, der jetzt nicht mehr verkleidet war. Er trug einen eleganten schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Das Schwarz betonte sein
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