Die Schlucht
schon fast den ganzen Hang hinabgepoltert war, sie unter sich begraben.
Da war sie schon, die Kurve. Das Ende. Paula schloss die Augen. Gleich würde der Sportwagen von der Straße fliegen und an der Felswand vor ihnen zerschellen.
Plötzlich bremste Marler so stark, dass sie das Quietschen der Reifen sogar durch das Donnern der heranrasenden Gesteinsmassen hörte. Wie von einer Riesenfaust, die ihr in den Rücken schlug, wurde sie nach vorn in den Sicherheitsgurt geschleudert. Der scharfe Geruch von verbranntem Gummi stieg ihr in die Nase, dann verspürte sie auf einmal einen heftigen Schlag gegen die linke Schläfe, und mit einem Mal hörte die Welt rings um sie auf zu existieren. Paula hatte das Bewusstsein verloren.
21
Als Paula wieder zu sich kam und die Augen öffnete, war alles dunkel um sie. Sie spürte, dass sie noch immer auf dem Sitz eines Autos saß, und stellte erstaunt fest, dass sie noch atmen konnte und nicht unter Gesteinsmassen begraben war.
»Geht es Ihnen gut?«, hörte sie eine besorgte Stimme fragen. Es war Marler.
»Was ist mit Tweed und Harry?«, gab Paula anstatt einer Antwort zurück. »Und wo sind wir? Was ist geschehen?«
»Beruhigen Sie sich erst einmal. Tweed und Butler geht es gut. Wir sind in einem Tunnel, der uns vor der Gerölllawine bewahrt hat. Da, sehen Sie selbst.«
Marler schaltete die Scheinwerfer des Maserati ein, die grauen, feuchten Fels beleuchteten.
»Wo sind die anderen?«
»Die gehen gerade nach vorn zum Ende des Tunnels und sehen nach, ob die Straße dort frei ist. Mich haben sie zurückgelassen, um auf Sie aufzupassen.«
»War ich lange bewusstlos?«
»Ich würde mal sagen, fünf bis zehn Minuten. Ihr Kopf ist gegen den Türrahmen geschlagen, als ich die Kurve nahm. Ich wusste noch von der Herfahrt, dass gleich hinter der Kurve der Tunnel kommen musste.
Wäre ich nicht so schnell gefahren, hätte es Tweed hinter mir nicht mehr in den Tunnel geschafft.«
Paula blickte in den Rückspiegel und sah, dass direkt hinter ihnen der unversehrte Audi stand.
»Wir haben wirklich Glück gehabt«, sagte Marler. »Hätten Sie auch nur eine Sekunde später entdeckt, was los ist, lägen wir jetzt da draußen unter tausend Tonnen Ölschiefer begraben.«
Als Tweed zehn Minuten später mit Butler zurückkam, nahm er Paula stumm in den Arm. »Wie geht es Ihrem Kopf?«, fragte er. »Haben Sie arge Schmerzen?«
»Nein, es ist überhaupt nicht schlimm«, antwortete Paula. »Sie wissen ja: Unkraut vergeht nicht.«
Nachdem Tweed berichtet hatte, dass die Straße am anderen Ende des Tunnels frei war, fuhr er fort: »Sie fahren jetzt mit mir, Paula, und Harry leistet Marler Gesellschaft.«
»Wo fahren wir denn hin?«
»Zurück nach Hobartshire. Es wird höchste Zeit, dass wir herausfinden, wer der Mörder ist.«
»Ist denn der Kreis der Verdächtigen für Sie mittlerweile kleiner geworden?«, fragte Paula, als sie in dem gepanzerten Audi saßen und warteten, dass Marler vor ihnen losfuhr.
»Möglicherweise«, erwiderte Tweed. »Genaueres kann ich erst sagen, wenn wir in Hobartshire sind.«
Auf der Fahrt sagte Paula nicht allzu viel. Sie blickte nach draußen auf die kahle Berglandschaft, die ihr auf einmal nicht mehr schön, sondern bedrohlich vorkam, und freute sich schon regelrecht auf die grünen Wiesen von Hobartshire.
Es war ein milder Frühlingsmorgen. Das Thermometer im Auto zeigte eine Außentemperatur von 21 Grad an, und Paulas Kopfschmerzen ließen langsam nach.
Auf einmal summte ihr Handy. Es war Bob Newman, der Tweed sprechen wollte.
»Hallo, Bob«, sagte Tweed, nachdem Paula ihm das Telefon gegeben hatte. »Schön, dass Sie sich melden. Was? Hat er überlebt? Gott sei Dank! Wir sind gerade auf dem Weg nach Hobartshire. In Ordnung. Wir treffen uns auf dem Parkplatz des Hotels. Und passen Sie gut auf sich auf.«
»Was ist passiert?«, fragte Paula besorgt.
»Lord Bullerton hat heute früh einen Unfall gehabt.«
»Mit dem Auto?«, fragte sie.
»Nein, einen Reitunfall. Was genau passiert ist, kann Newman nicht sagen, aber offenbar ist Bullerton nur leicht verletzt.«
»Vielleicht hat ja Neville Guile dabei ein wenig nachgeholfen …«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht«, erwiderte Tweed gereizt. »Warten Sie doch erst mal ab, was Bullerton uns erzählt.«
Paula sagte nichts mehr, und Tweed konzentrierte sich aufs Autofahren. So waren sie eine gute Stunde unterwegs, bis Paula sich auf der Autobahn wieder an ihn wandte.
»Ich will ja nichts sagen, aber
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