Die Schlucht
Sie fahren ziemlich schnell.«
»Lassen Sie das mal meine Sorge sein.«
Paula wechselte das Thema. »Ich freue mich schon darauf, Bob wiederzusehen«, sagte sie fröhlich.
»Ich mich auch. Ich denke, dass er inzwischen einiges über Gunners Gorge und seine Geheimnisse in Erfahrung gebracht hat. Und Geheimnisse gibt es dort genug. Wir sind da in eine ganz große Sache hineingeraten. Mittlerweile glaube ich das mehr denn je.«
»Bob hat sich bestimmt mächtig ins Zeug gelegt. Seine Energie ist einfach bewundernswert.«
»Paula …«, begann Tweed mit sanfter Stimme und einem betretenen Lächeln. »Es tut mir leid, dass ich vorhin so gereizt reagiert habe. Aber die Nachricht von Bullertons Unfall hat mich ziemlich schockiert.«
»Sie brauchen sich bei mir nicht zu entschuldigen. Ich weiß, dass Sie unter einem enormen Druck stehen. Außerdem war es eine kluge Entscheidung, nach Hobartshire zurückzufahren.«
»Auch wenn wir uns dadurch in große Gefahr begeben?«
»Das ist doch normal«, erwiderte sie gelassen.
Es war später Nachmittag, als sie an Nag's Head ankamen und langsam auf den Parkplatz fuhren. Newman saß dort bereits in Butlers grauem Fiat und wartete. Auf den ersten Blick hätte Paula ihn fast nicht erkannt. Er trug einen khakifarbenen Anzug, einen breitkrempigen Strohhut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, und eine dunkle Sonnenbrille.
Newman überzeugte sich davon, dass außer Tweed und den anderen niemand zu sehen war, dann stieg er aus, nahm Hut und Brille ab und begrüßte die anderen aufs Herzlichste.
»Schön, Sie zu sehen«, sagte Tweed, der hinter dem Steuer des Audis sitzen blieb. »Was sollen wir Ihrer Meinung nach als Nächstes tun?«
»Fahren Sie mit Paula sofort nach Hobart House, und reden Sie mit Lord Bullerton. Wir können uns unterhalten, wenn Sie zurück sind. Ich würde vorschlagen, wir essen in Ihrer Suite zu Abend.«
Harry Butler stieg in den Audi und setzte sich auf die Rückbank, und dann fuhren sie los in Richtung Hobart House. Gunners Gorge kam Paula inzwischen seltsam vertraut vor, und doch beobachtete sie alles ganz genau.
Als sie sich Hobart House näherten, brach schon der Abend herein, und der gerade aufgegangene Mond wurde von einer dichten Wolkenbank verschluckt. »Setzen Sie mich neben der Lücke dort in der Hecke ab«, sagte Butler. »Von dort aus habe ich einen guten Blick auf das Haus und kann jeden Angreifer unschädlich machen.«
Tweed und Paula fuhren weiter bis zum Haus, wo in allen Fenstern Licht brannte, und klopften an die Tür.
Lance öffnete ihnen. Er trug einen hellgrauen Blazer und beige Hosen und sah so elegant aus wie immer. Als er Tweed und Paula erblickte, wirkte er erleichtert.
»Bin ich froh, Sie zu sehen. Mein Vater hat einen Unfall gehabt.«
»Das wissen wir«, erwiderte Tweed und trat mit Paula in die Eingangshalle. »Wie geht es Ihrem Vater?«
»Er kann von Glück sagen, dass er nur ein paar Schürfwunden hat. Jetzt sitzt er schon wieder an seinem Schreibtisch und arbeitet. Der Arzt war da und hat es ihm erlaubt, weil er keine Knochen gebrochen hat. Wenn Sie wollen, bringe ich Sie jetzt zu ihm.«
»Einen Augenblick noch«, hielt ihn Tweed zurück. »Wann ist das passiert?«
»Um sechs Uhr morgens.«
»Ziemlich früh, finden Sie nicht auch? Wer war zu dieser Zeit im Haus?«
»Warten Sie einmal.« Lance runzelte die Stirn. »Ich war hier, außerdem noch Margot und Sable. Wir waren alle noch im Bett. Mrs Shipton war auch hier, um zu kontrollieren, ob die Küchenhilfen aus dem Dorf auch rechtzeitig zur Arbeit kommen. Ich denke, das wären dann alle. Halt, ich glaube, die Stallknechte waren auch schon da. Sie fangen jedenfalls ziemlich früh an.«
»Und wie kam es zu dem Unfall?«
»Mein Vater konnte nicht schlafen, deshalb ist er früher als sonst aufgestanden und noch vor dem Frühstück ausgeritten. Als er in den Stall ging, war sein Pferd, Fairlight, schon für ihn gesattelt. Er stieg auf und ritt hinaus zum Übungsplatz, wo wir Springreiten trainieren. Als er zum Sprung über eine große Hürde ansetzte, riss der Sattelgurt, und mein Vater stürzte vom Pferd. Zum Glück ist er ins Gras gefallen und nicht auf einen der Felsbrocken, die dort überall herumliegen.«
»Wer sattelt sein Pferd?«
»Jacko, unser Oberstallknecht.«
»Vielen Dank. Und jetzt würden wir gern mit Ihrem Vater sprechen.«
Lance führte sie zum Arbeitszimmer, öffnete die Tür und sagte: »Hier ist Besuch für dich, über den du dich
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