Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
oben im Haus sein, aber natürlich war dies ja nur das Untere Haus, und darüber gab es Regionen, die von den Morgigen Tagen regiert wurden – das nahm er zumindest an.
Arthur schüttelte den Kopf. Er sollte besser nicht über solche Sachen nachdenken, sondern sich auf das unmittelbar vor ihm liegende Problem konzentrieren. Aber das war gar nicht so einfach, weil es hier sehr heiß war und er fürchterlich unter seinem schweren Gehrock schwitzte.
»Da ist etwas in der Mitte!«, rief Susi, die die ganze Zeit nach unten gesehen hatte. »Dort, schaut!«
Sie zeigte hinunter, als sich die Dampfwolken einen Moment lang teilten. Dort, genau im Zentrum der brodelnden Wasseroberfläche, lag eine Insel mit einem flachen, weitläufigen, L-förmigen Gebäudekomplex mit roten Ziegeldächern, der Arthur irgendwie bekannt vorkam. Er war sicher, dass er so etwas schon einmal gesehen hatte. In einem Buch … eine römische Villa!
»Montags Tagraum«, sagte das Vermächtnis. »Von der anderen Seite aus führt eine komfortable Brücke hin, aber wir werden auf dem Spinnendraht hinübermüssen. Er mag auf den ersten Blick nicht leicht zu sehen sein; schau bei deinem linken Fuß nach, Arthur!«
Arthur sah hinunter. Zuerst konnte er nichts erkennen, aber dann sah er das feine Schimmern eines Spinnenfadens. Er langte hinunter und berührte ihn. Er fühlte sich an wie ein straff gespannter Draht, war ungefähr so dick wie sein kleiner Finger, aber beinahe völlig durchsichtig. Als Arthur daran zupfte, gab er einen leisen wohltönenden Klang von sich.
»Ah, wie benutzen wir den?«
»Er wird an euren Schuhsohlen haften«, erklärte das Vermächtnis. »Ihr geht einfach darauf hinunter bis zu Montags Tagraum.«
»Ich denke, ich werde fliegen«, meinte Susi.
»Nein, du …«, brauste das Vermächtnis auf. »Nein. In der Nähe der Insel ziehen Flieger gezielte Dampffontänen auf sich, die ihnen die Haut von den Knochen lösen. Der einzige Weg hinunter führt über den Spinnendraht, und wir haben keine Zeit für Zaudereien. Arthur, steig auf den Draht!«
»Was ist, wenn ich das Gleichgewicht verliere?«, wollte Arthur wissen. »Ich meine, meine Sohlen mögen ja festkleben, aber ich hänge dann mit dem Kopf nach unten da!«
»Dann wirst du den Rest des Weges mit dem Kopf nach unten zurücklegen müssen«, meinte das Vermächtnis lapidar. »Beeilt euch! Es ist einfacher, als es sich anhört!«
»Was weißt du schon?«, murmelte Susi. »Du bist ein Frosch; du hast nicht einmal Sohlen!«
»Pst!«, mahnte Arthur. Er stand auf, verstaute den Schlüssel sorgsam in seiner Ärmeltasche und band ein Taschentuch um den Ärmel, damit er nicht herausfallen konnte. Dann breitete er die Arme aus, um besser die Balance halten zu können, nahm einen tiefen Zug feuchte Luft und setzte einen Fuß auf den Spinnendraht.
K APITEL D REIUNDZWANZIG
E
s war leichter, als es aussah. Arthur glitt mit einem Fuß vor dem anderen über den Spinnendraht, der sich vollkommen trittfest anfühlte, und hatte keine Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Zumindest hatte er keine Schwierigkeiten damit, solange er nicht nach unten sah; sobald er in Richtung seiner Füße blick te, fing er an zu zittern und zu beben, und daraus wurde ein Schwanken, sodass er umzukippen drohte. Aber sobald er hoch- und vorwärtsschaute, hörte es wieder auf.
Susi kam hinter ihm; sie bewegte sich schnell und sicher. Sie hatte überhaupt keine Schwierigkeiten und brauchte nicht einmal die Arme auszubreiten, weil ihre gespreizten Flügel sie problemlos aufrecht hielten.
Bald war sie direkt hinter Arthur, und er war sich seiner Langsamkeit nur zu bewusst.
»Könnte dies der geeignete Zeitpunkt sein, um zu erwähnen, dass der Spinnendraht nicht permanent ist?«, erkundigte sich das Vermächtnis, nachdem Arthur sich weitere zwanzig Meter vorgetastet hatte.
»Nein«, antwortete er. Er zwang sich, schneller zu gehen und zu versuchen, nicht nach unten zu sehen. »Was meinen Sie mit ›nicht permanent‹?«
»Er wird in wenigen Minuten verschwinden.«
Arthur verfiel in einen seltsamen Gleitlauf. Es war ausgesprochen merkwürdig, die Füße nicht hochheben zu können; außerdem wurde das Balancieren dadurch erschwert, und obwohl Arthur jetzt schneller vorankam, verursachte er auch ein Schlingern, das immer heftiger wurde.
»Schneller!«, forderte das Vermächtnis, als sie die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten und sich inmitten dichter Dampfwolken befanden. Die waren bei
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