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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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hatte sie nicht über sich gebracht und war im Nachhinein auch froh darüber. Sonst hätte sie Vikrama nie wieder unter die Augen treten können. Ja, vielleicht hätte sie ihn auch seine Anstellung gekostet.
    Da sie gesehen hatte, wie die weniger glücklichen Menschen hier leben mussten, wollte sie ihn auf keinen Fall in Not stürzen.
    Die bohrende Frage, was diese heilige Handlung sein könnte, verfolgte sie allerdings bis in die Nacht. So leise wie möglich, um Victoria nicht zu wecken, erhob sich Grace und trat neben den Vorhang ans Fenster.
    Vielleicht sollte ich ihm hinterherschleichen.
    Während sie sich hundert Möglichkeiten ausdachte, dem Vormann ungesehen zu folgen, starrte sie wie gebannt auf den Grasfleck vor den Büschen, hinter denen sich das nächtliche Geheimnis befinden musste. Doch Vikrama tauchte nicht auf. Nur der Schatten eines Papageis zog über die mond­beschienene Fläche hinweg.
    Nach einer Weile gab Grace es auf, nach draußen zu starren. Sie huschte zurück in ihr Bett und schob das Laken, das ihr auf einmal schwer wie ein Daunenbett erschien, beiseite. Ihr Herz fühlte sich merkwürdig schwer an. Jetzt, wo ich ihn darauf angesprochen habe, hat er sicher einen anderen Weg gefunden, zu seinem geheimen Treffen zu kommen …

Vannattuppucci Tea Company, 2008
    Wider Erwarten überlebten sie die Fahrt zur Plantage, obwohl der Jeep zwischendurch ziemliche Mühe gehabt hatte, den aufgeweichten Boden zu überqueren. Hin und wieder hatte Diana fast schon befürchtet, sie könnten eine steile Böschung hinunterfallen. Doch der Fahrer gewann immer wieder die Kontrolle über ihr Fahrzeug, manchmal stillschweigend, manchmal schimpfend, als könnte das Gefährt etwas für seine Art zu fahren.
    »Nur gut, dass es nicht wirklich der Monsun war, sonst hätten wir wohl einen Hubschrauber gebraucht«, erklärte Jonathan augenzwinkernd.
    Da sie den Fahrer noch für den Weg zurück brauchten, steckte Jonathan ihm Geld und ein Päckchen Zigaretten zu und erklärte ihm, dass er warten sollte.
    Nachdem sie sich an der Gegensprechanlage am Tor gemeldet hatten, versuchte Diana, einen Blick auf das Haupthaus zu erhaschen, das sich hinter Palmen und ausladenden Rhododendren versteckte. Wahrscheinlich wollte der Erbauer vermeiden, dass vom Tor her neugierige Blicke auf sein Wohnhaus geworfen werden konnten.
    Der zum Tor passende Zaun hatte sicher schon vor hundert Jahren hier gestanden, denn seine Gestaltung war eindeutig viktorianisch mit seinen speerförmig verzierten Spitzen.
    Auch die Gartenanlage wirkte überaus englisch. Diana versuchte, sich vorzustellen, wie Grace und Victoria, in weißen Kleidern und mit zarten Spitzenschirmen gegen die Sonne bewaffnet, über die gepflegten Wege geschritten waren.
    Schließlich erschien ein Mann in Khakihose und beigefarbenem Tropenhemd. Diana schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Seine gesamte Gestalt strahlte befehlsgewohnte Autorität aus. Mit einer lässigen Bewegung betätigte er den Toröffner, das hohe Eisengitter schwang auf.
    »Sie müssen die Dame aus Deutschland sein.« Der Mann, der überraschenderweise sehr europäische Züge hatte, reichte ihr die Hand. »Ich bin Jason Manderley, der Geschäftsführer der Vannattupp u cci Tea Company.«
    Diana stellte sich und Jonathan kurz vor. »Es freut mich, dass Sie Zeit für mich gefunden haben.«
    Ein breites Lächeln erschien auf Manderleys Gesicht. »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite. Wie ich von meiner Mitarbeiterin erfahren habe, sind Sie eine der Nachfahrinnen der ehemaligen Besitzer.«
    Die einzige Nachfahrin nunmehr, dachte Diana, nickte aber nur. »Zu meinen Vorfahren gehörte eine Grace Tremayne, sie war die Tochter von Henry.«
    Der Name schien dem Mann tatsächlich etwas zu sagen.
    »Wenn das so ist, dann hat unser Archiv sicher einiges für Sie zu bieten. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.«
    Manderley führte sie die gepflegten Wege entlang, vorbei an altertümlich wirkenden Gebäuden, die leer standen, aber dennoch nicht den Eindruck machten, als seien sie unbenutzt.
    »Das sind die früheren Welk- und Trocknungsgebäude. Bis 1950 standen hier noch die Roste mit den zu trocknenden Blättern.« Er deutete auf das frisch gestrichene Gebäude in der Mitte. »Dort haben die Frauen gesessen, die den Tee von Hand gerollt haben. Vannattupp u cci war in früheren Zeiten dafür berühmt, einen der besten handgemachten Tees zu verkaufen. Leider haben die Eigner in der Folgezeit eher auf maschinelle Produktion

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