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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sich auf einmal wieder wie die Schülerin vor, die großen Respekt vor ihrem Lehrer hatte. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbrochen habe.«
    Der Hauslehrer lächelte breit. »Es ist schon seltsam mit meinen Schülern«, sagte er, als würde er mit sich selbst sprechen. »Wenn ich sie unterrichte, wollen sie am liebsten alle meinem Unterricht entfliehen. Und wenn sie dann die Halle des Lernens für immer verlassen haben, zieht es sie an jenen Ort zurück.«
    »Nur dass Sie damals nichts über exotische Pflanzen und Tiere erzählt haben«, gab Grace zurück.
    »Das ist allerdings richtig. Und ich muss zugeben, dass mich, obwohl ich eher ein Freund des Gesteins bin, die Natur dieses Landstrichs fasziniert.«
    Jetzt setzte er seine Brille wieder auf. »Wenn Sie möchten und Ihre Pflichten Sie nicht davon abhalten, können Sie meinetwegen gern wieder meinem Unterricht lauschen. Ohne die lästigen Pflichten der Diktate natürlich.«
    Victoria zog eine Flunsch. »Für mich gilt die Befreiung von den Diktaten nicht, oder, Mr Norris?«
    »Natürlich nicht«, gab Norris streng zurück. »Miss Grace hat ihre Schulzeit bereits hinter sich und wird gewiss nicht immer hier auftauchen können. Sicher wird sie eines Tages heiraten und einen eigenen Hausstand gründen. Damit ­Ihnen das auch gelingt, wenn Sie älter sind, Miss Victoria, sollten wir jetzt mit dem Unterricht fortfahren. Nächste Woche werde ich Sie dann einen Aufsatz schreiben lassen.«
    Aufseufzend wandte sich Victoria wieder ihrem Heft zu.
    Während Mr Norris mit den Nutzungsmöglichkeiten der Kokospalme fortfuhr, blickte Grace aus dem Fenster und erstarrte ein wenig. Genau in dem Augenblick ging Mr Vikrama vorbei, der wahrscheinlich gerade bei den Trocknungsschuppen nach dem Rechten gesehen hatte. Wieder musste Grace an das denken, was er über die Erntezeiten des Tees erzählt hatte. Ob Mr Norris das auch schon wusste?
    Im Gegensatz zur vergangenen Nacht, wo sie ihn erneut beobachtet hatte, trug Vikrama wieder normale englische Kleidung, die braunen Hosen steckten in hohen Stiefeln, die Weste über dem halbärmeligen Hemd war in einem Beigeton gemustert. Der Kasten unter seinem Arm wirkte wichtig.
    Wohin geht er nur immer?, fragte sie sich und wäre am liebsten aufgesprungen, um ihn zu fragen. Doch sie rang den Impuls nieder und betrachtete die fernen Palmen, während die Stimme des Lehrers wie ein Sommerregen auf sie niederprasselte.
    Die Zeit des Monsuns brachte trübe Tage, Dauerregen und ein wenig Abkühlung, die eigentlich gar nicht so genannt werden durfte, denn die Temperaturen sanken nur um wenige Grad und übertrafen noch immer die Wärme des englischen Sommers.
    Für Grace und Victoria brachen lange Tage im Haus an, was besonders der jüngeren Schwester sehr zusetzte. Zwar hielt sie den Unterricht nicht mehr für verschwendete Zeit, doch der Trost der nachmittäglichen Spaziergänge fehlte ihr ganz furchtbar.
    Während ihrer freien Zeit zogen sich die beiden Schwestern häufig in den Wintergarten zurück, wo sie ihre Staffeleien aufstellten. Innerhalb weniger Augenblicke wurde der frische Duft des Regens von den Gerüchen nach Ölfarbe, Terpentin und Grundierung überdeckt.
    »Weißt du noch, damals am See«, bemerkte Victoria, während ihr Pinsel aus blauer Farbe einen Papageienflügel entstehen ließ.
    »Du meinst, als wir selbst gemalt wurden?«, fragte Grace zurück, die gerade mit den ersten zartrosa Farbtönen auf einem Frangipani-Zweig begann.
    »Ja«, antwortete Victoria schwärmend. »War das nicht eine herrliche Zeit? Wir haben den armen Maler ewig zur Weißglut gebracht, als dieser versuchte, uns auf die Leinwand zu bannen.«
    »Dass du dich noch daran erinnerst«, entgegnete Grace verwundert. Selbst für sie war der Nachmittag am See nur noch eine verwaschene Erinnerung. Damals war sie neun gewesen und hatte es gründlich sattgehabt, für den Maler stillsitzen zu müssen. Den Ermahnungen ihrer Mutter zum Trotz waren sie schließlich doch herumgelaufen, als ihre Beine schon ganz taub vom vielen Sitzen am Seeufer waren, das von Mücken nur so wimmelte.
    »Ich war damals immerhin fünf Jahre alt!«, protestierte Victoria. »Ich erinnere mich sogar noch an Dinge, die ich mit vier gemacht habe.«
    »Und was zum Beispiel?«, fragte Grace und versteckte ihr Lächeln hinter ihrer Staffelei. Victoria zu necken machte ihr trotz ihrer achtzehn Jahre immer noch großen Spaß.
    »Dass Papa mich zur Spitze des Weihnachtsbaums hinaufgehoben hat, damit

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