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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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umsteigen müssen, weil sich das Geschäft mit handgemachtem Tee nicht mehr rentiert hat. Mittlerweile beginnen wir aber wieder mit einer kleinen Produktion, weil Feinschmecker durchaus bereit sind, mehr für den Genuss zu bezahlen.«
    Während Manderley sprach, meinte Diana im Wispern der Palmen und der Heveabäume die Stimmen der Frauen zu vernehmen, die damals hier gelebt und gearbeitet hatten. Die seltsame innere Ruhe, die sie auch schon auf Tremayne House überkommen hatte, ergriff nun wieder von ihr Besitz und milderte ihre Aufregung. Es war, als wäre sie nach Hause gekommen. Steckte das Erbe von Grace noch so tief in ihren Genen?
    »Ich weiß nicht, inwiefern Sie mit der Geschichte des Tees auf Sri Lanka vertraut sind«, fuhr der Geschäftsführer fort, als sie über den knirschenden Kieselweg zum Haus schritten.
    »Ich fürchte, nicht besonders«, antwortete Diana. »Meine Suche ist bisher eher objekt- und personenbezogen verlaufen. Ich wollte so viel wie möglich über meine Ururgroßmutter herausfinden und über Dinge, die ich im Haus meiner Tante gefunden habe.«
    »So, was haben Sie denn gefunden?«
    Diana hielt kurz an und zog das Foto aus der Brieftasche.
    »Meine Güte!«, platzte Manderley heraus. »Das ist tatsächlich unsere Teeplantage. Ich weiß sogar, an welcher Stelle das aufgenommen worden sein muss. Kommen Sie, ich führe Sie hin!«
    Sie bogen vom Weg ab und folgten einem Pfad, der direkt zu den Teefeldern führte.
    Als sie schließlich haltmachten, sah sich Diana einem noch relativ jung wirkenden Wald gegenüber. Ein prüfender Blick auf das Foto zeigte ihr zwar den Berg, aber weder das Teefeld noch die freie Fläche, an der Grace gestanden hatte.
    »Wir haben vor einigen Jahren begonnen, diesen Teil der Plantage wieder aufzuforsten. Aus unerfindlichen Gründen brachte dieser Flecken nicht so große Erträge wie die anderen Felder. Die Teepflückerinnen meinen, auf diesem Flecken läge ein Fluch.«
    Ein Schauer überlief Diana. »Ein Fluch?«
    »Ja, solche Geschichten sind noch heute im Umlauf. Aber ich halte sie für pure Folklore. Wenn Sie einer der Frauen Ihr Foto zeigen würden, würde sie Ihre Vorfahrin sicher für einen Geist halten. Vielleicht sogar den Geist, der diesem Feld einen Teil seiner Fruchtbarkeit geraubt hat. Ich sage jedoch, dass wir mit diesem Feld eine Grenze überschritten haben. Je höher man den Tee anpflanzt, desto geringer werden die Erträge. Wie bei allem in der Welt kommt es auf die richtige Balance an, und hier kippt die Waagschale und erreicht wahrscheinlich einen Punkt, an dem der Tee das Klima eher schädlich findet. Wie Sie selbst merken, ist die Luft hier wesentlich kühler als unten am Fuß des Berges.«
    Diana war sicher, dass der Schauder nicht von der kalten Luft gekommen war. Vielleicht hatten die Teepflückerinnen ja recht.
    »Wenn Sie mögen, können Sie sich diesen Ort näher ansehen«, bot Manderley an. »Oder die Akten hier mit rausnehmen. Das Archiv ist ein recht freudloser Ort, an den nur leblose Dinge gehören. Ich werde Ihnen einen Tisch und vielleicht auch ein kleines Zelt stellen, falls Sie das wünschen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, vielen Dank!«
    »Nun, dann lassen Sie uns mal nachsehen, welche Schätze das Archiv birgt.«
    Als er sich umwandte, blieb Diana ein Stück zurück und raunte Jonathan dann zu: »Vielleicht gibt es ja doch einen Fluch.«
    »Dann sollten wir uns diesen Ort wirklich genauer ansehen, vielleicht gibt es einen Hinweis.«
    »Was sagen Sie da?«
    Manderley wandte sich um.
    »Ach nichts, ich habe Mr Singh nur auf etwas aufmerksam gemacht.«
    Der Geschäftsführer nickte, dann ging er ihnen weiter ­voraus.
    Während sie ihm folgten, entdeckte Diana einen seltsamen Baum neben dem Haus, der ihr irgendwie vertraut vorkam.
    »Ein Apfelbaum?«, fragte sie Manderley, denn dieses Gewächs kam ihr vollkommen fehl am Platz vor.
    »Die Engländer hatten die Angewohnheit, ihre neue Umgebung in vielen Dingen ihrer alten anzupassen. Sie setzten Füchse für Jagden aus oder pflanzten Obstbäume. Dieser knorrige Baum geht der Geschichte nach auf Richard Tremayne zurück. Er muss eingesehen haben, dass das einhei­mische Obst ebenfalls köstlich ist, denn dieser Baum ist der einzige geblieben.«
    Was für ein Symbol für die Fremdartigkeit der Engländer in diesen Breiten, schoss es Diana durch den Kopf, und sie nahm sich vor, Jonathan diesen Gedanken für sein Buch zu offenbaren – wenn er nicht schon selbst drauf

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