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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Plantage war inzwischen zu vollem Leben erwacht. Auf dem Hof riefen sich Arbeiter etwas zu, Frauen zogen ihre Saris zurecht und schulterten ihre Körbe. Irgendwo im Haus klingelte ein Telefon, hinter einer Tür klapperte jemand auf der Computertastatur.
    Unten, im ehemaligen Dienstbotentrakt, war jedoch alles still. Nur das leise Summen der Neonröhren erfüllte den Gang. Im Archivraum flimmerte der Staub in den Sonnenstrahlen, die auf den Schreibtisch fielen. Über Nacht war ein weiterer Tisch hinzugekommen, der auf die Ablage von Geschäftsbüchern und Folianten wartete.
    Jonathan rieb sich die Hände und zog dann die Schranktüren auf. Beinahe andächtig betrachtete er das Durcheinander, dann lächelte er. »Wissen Sie, irgendwie habe ich solch ein Aktenchaos vermisst. Früher, im Museum, hatten wir ständig irgendwelche Funde wie diese, die durchgesehen und katalogisiert werden mussten. Ich habe das manchmal als belastend empfunden, aber nun merke ich, wie sehr mir das eigentlich fehlt.«
    »Nun, dann haben Sie genug Gelegenheit, sich hier auszutoben«, entgegnete Diana, während sie sich an ihren Schreibtisch begab. »Ich habe hier schon ein paar Bücher aus der relevanten Zeit gefunden. Sobald ich weiß, worum es sich dabei handelt, hole ich mir die nächsten.«
    Mit einem eifrigen Nicken tauchte Jonathan in den alten Schrank ein.
    »Wenn ich es richtig sehe, muss Henry Tremayne die Plantage im Jahr 1887 übernommen haben«, sagte Jonathan, während er auf seinen Stapel Bücher herabsah. Zwei ganze Stunden hatte er damit verbracht, Unterlagen aus dem Schrank zutage zu fördern. »Alle anderen Bücher sind von einem Richard Tremayne geführt worden.«
    »Wahrscheinlich ist Henry ein paar Monate nach der Todesnachricht hier angekommen«, entgegnete Diana, während sie wieder an das Telegramm dachte. »Er hatte ein Telegramm erhalten, dass sein Bruder auf dem Adams Peak abgestürzt sei.«
    »War er Bergsteiger?«
    Diana zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht hat er das Wandern geliebt. Dort oben gibt es doch auch sicher einen Tempel, oder?«
    »Es gibt einen Pilgerpfad, ja«, bestätigte Jonathan. »Er ist auch jetzt noch recht steil, wer unachtsam ist, könnte leicht abstürzen. Vor mehr als hundert Jahren war der Aufstieg ­sicher noch gefährlicher.«
    »Wenn wir noch etwas Zeit haben, würde ich den Pfad gern sehen«, sagte Diana, während sie versonnen über die Seiten des Geschäftsbuches strich.
    »Gibt es denn Hinweise auf die Stelle, an der Richard Tremayne abgestürzt ist?«
    Diana schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nicht. Vielleicht steht in alten Polizeiprotokollen etwas, doch die werden ganz sicher nicht hier lagern. Wenn es sie überhaupt noch gibt.«
    »Nun, die Engländer waren ziemlich penibel, was das angeht. Sicher lagern in irgendeinem Schrank oder Keller noch Hunderte von alten Akten. Um diese zu sichten, bräuchten Sie aber noch mehr Zeit, und ich weiß nicht, ob Ihre Klienten Sie so lange entbehren können.«
    Er hatte recht, irgendwann würde sie dieses Abenteuer beenden müssen, da ihr altes Leben zu Hause auf sie wartete. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Sie hatte es gestern ausgehalten, überhaupt nicht in ihre Mails zu sehen, und vielleicht war es ihrer Arbeit hier zuträglich, wenn sie das auch in den nächsten beiden Tagen nicht tat.
    Als sich der Nachmittag über Vannattupp u cci neigte, lehnte sich Diana stöhnend zurück und presste ihre Finger in die Augenwinkel. Wie viele Bücher war sie jetzt schon durchgegangen? Trockene Aufreihungen von Zahlen, zwar in Schönschrift geschrieben, aber nichtssagend. Dazwischen war ­immer wieder der verlockende Gedanke, einfach den gefundenen Brief zu lesen, geschlichen. Aber Diana war standhaft geblieben und hatte sich an die Worte ihres alten Professors erinnert, der die angehenden Juristen ermahnt hatte, Beweismittel zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen.
    Jonathan erhob sich. »Wir sollten eine kleine Pause machen, finden Sie nicht? Wie wäre es mit einem Spaziergang über die Plantage?«
    »Eine gute Idee«, entgegnete Diana und schob die Dokumente auf den Tisch zurück.
    Angenehme Wärme umfing sie auf den Stufen vor dem Herrensitz. Nach den Stunden unter Kunstlicht mussten sich Dianas Augen erst einmal wieder an das Sonnenlicht gewöhnen, doch dann sog sie die satten Farben gierig in sich auf und versuchte, sich vorzustellen, wie es Grace Tremayne ergangen sein musste, wenn sie das Haus zu einem Spaziergang

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