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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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andersherum: Würden es die Mädchen nicht von allein wissen? Immerhin lebten sie in einem Land, in der die Krankheit vorkam …
    Die ganze Nacht über versuchten sie, das Fieber ein wenig herunterzubekommen, doch schneller, als sie die Tücher kühlen konnten, waren sie auch schon wieder warm. Victoria begann, im Fieber zu stöhnen, Perioden der Ruhe wechselten sich mit heftigem Schüttelfrost ab.
    Als der Morgen heraufdämmerte, kam sich Grace wie eine Marionette vor, die ihre Bewegungen nur noch vollführte, weil ein unsichtbarer Puppenspieler an den Fäden zog. Das Kühlwasser in der Schüssel schimmerte trübe, der Lappen wirkte wie ein verschrumpeltes Tier.
    Ihre Mutter hatte sich nur für einige Minuten hinsetzen wollen, um ein wenig auszuruhen, doch mittlerweile schlief sie schon seit drei Stunden. Grace wollte sie nicht wecken. Wenn der Tag vollends erwacht war, würde sie sich selbst ein wenig hinlegen, doch so lange wollte sie durchhalten.
    Tränen traten in ihre Augen, als sie Victoria ansah. Das beginnende Tageslicht zeigte noch deutlicher, wie sehr die Krankheit ihr zusetzte. Dunkle Augenringe gaben dem Gesicht ihrer Schwester das Aussehen eines Totenschädels, doch die dunkelroten Wangen zeigten deutlich an, dass noch Leben in diesem Körper war. Leben, das in unerträglicher Gefahr schwebte.
    Schließlich erwachte ihre Mutter wieder und räkelte sich mit einem schmerzhaften Stöhnen.
    »Aus dem Alter, in dem ich an jedem Ort schlafen kann, bin ich wohl raus.«
    Doch sogleich schien ihr wieder einzufallen, was der Grund für ihre unbequeme Schlaflage war. Sie erhob sich, taumelte kurz, trat dann aber an das Bett.
    »Wie geht es ihr?«, fragte sie dann, als sei ihre Tochter eine Ärztin.
    »Unverändert würde ich sagen«, gab Grace zurück. »Wie du siehst, glüht sie noch immer, und das Wasser will gar nicht mehr kalt werden.«
    »Ich werde neues kommen lassen.« Mit einer unvermutet zärtlichen Geste streichelte sie zuerst Grace übers Haar, dann fuhren ihre Fingerspitzen vorsichtig über Victorias Stirn, bevor sie sich umwandte.
    Kaum war Claudia gegangen, tauchte Vikrama an ihrem Fenster auf. Grace, die an Victorias Krankenbett Wache hielt und die kalten Umschläge auf ihrer Stirn wechselte, eilte ­sogleich zu ihm. Ein wenig schämte sie sich wegen ihres durchgeschwitzten Kleides und ihrer wirren Frisur, doch wie sollte man aussehen, wenn man eine Kranke pflegte?
    »Ich habe gehört, dass Ihre Schwester krank ist.«
    Grace nickte, warf dann einen sorgenvollen Blick auf Victoria, deren Gesicht immer noch glühend rot war. »Gestern Abend war ein Arzt aus Nuwara Eliya hier. Unser Diener ist mit dem Chinin leider noch immer nicht zurück. Mutter lässt gerade neues Wasser kommen, aber das Fieber steigt weiter. Immerhin hat sie keine Schüttelfröste mehr, doch das kann sich jeden Augenblick ändern.«
    »Malaria, nicht wahr?«, fragte Vikrama ernst.
    »Woher …«
    »Chinin. Das ist das Mittel, das die Engländer dagegen einsetzen. Und wenn hier jemand Fieber bekommt, dann ist es oft die Malaria.« Er griff nach ihrer Hand. »Bitte seien Sie vorsichtig.«
    Grace schüttelte beklommen den Kopf. »Keine Sorge, ich werde nicht krank.«
    »Das wollen wir hoffen. Ich reite gleich ins Dorf, dort werde ich die Heilerin fragen, ob ich irgendwie helfen kann.«
    »Hat sie vielleicht Chinin da?«
    »Nein, etwas anderes. Ich beeile mich.«
    Damit verschwand er wieder. Grace sah ihm kurz nach, dann kehrte sie an Victorias Bett zurück, über dem eine Wolke saurer Ausdünstungen schwebte. Stöhnend warf das Mädchen den Kopf hin und her, ihre Lippen bewegten sich, als wollte sie etwas sagen. Doch einen Ton brachte sie nicht hervor.
    Während sich ihr Herz wieder zusammenkrampfte und ein Schluchzen in ihrer Brust aufstieg, zog Grace den Lappen wieder von Victorias Stirn und tauchte ihn in das Wasser, das mittlerweile lauwarm war. Bitte, lieber Gott, flehte sie im Stillen, nimm mir nicht meine Schwester. Wenn du glaubst, dass ich gesündigt habe, bestrafe mich und nicht sie.
    Am Vormittag stieg das Fieber so weit, dass Victoria begann, im Delirium zu reden, wirres Zeug, das sich um Papageien und Affen drehte. Schließlich wussten sich Grace und ihre Mutter keinen anderen Rat, als eine Wanne herbeischaffen zu lassen und Victoria in kaltes Wasser zu legen.
    Die Zähne des Mädchens klapperten, als das kalte Wasser seine Haut umschloss, doch nach einer Weile hörte es auf und das dunkle Rot ihrer Wangen hellte sich

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