Die Schmetterlingsinsel
ein wenig auf. Als sie Victoria wieder hinaushoben, fühlte sich ihre Haut kälter an, doch das änderte sich innerhalb von Minuten wieder.
»Dieser verdammte Diener!«, murmelte Claudia zornig, nachdem sie die Dienstmädchen angewiesen hatte, neues Wasser zu holen. »Wahrscheinlich hat er sich mit dem Geld und dem Rezept aus dem Staub gemacht.«
»Er wird schon noch kommen«, versuchte Grace ihre Mutter zu beruhigen. »Du hast doch die Gegend hier gesehen. Außerdem sind nach dem letzten Regen sicher viele Wege aufgeweicht.«
Claudia hörte nicht hin. »Dieses verfluchte Land«, murmelte sie. »Warum hat er die Plantage nicht verkauft?«
»Die Plantage ist nicht schuld daran, Mutter.« Grace strich ihrer Mutter über den Arm. »Das war ein Moskito. Außerdem hätte uns Mr Cahill ruhig sagen können, dass wir Chinin ins Wasser tun sollen, wie es alle hier machen.«
Erst im nächsten Augenblick fiel Grace ein, dass ihre Mutter sich wundern könnte, warum sie das wusste. Doch Claudia war so sehr in ihrem sorgenvollen Zorn gefangen, dass sie es nicht bemerkte.
Kurz nachdem die Mädchen erneut Wasser herbeigeschleppt hatten, begann die Prozedur erneut. Zwischendurch machte es den Anschein, als würde Victoria erwachen, doch dann bemerkten sie, dass ihre Augen zwar offen standen, sie aber dennoch nichts sah.
Gegen Mittag wurde Claudia die Spannung zu viel. »Ich will, dass jemand nach Colombo reitet und diesen verdammten Diener sucht!«
Ehe Grace sie davon abhalten konnte, war sie auch schon aus dem Zimmer. Im nächsten Moment klopfte es an die Scheibe.
Mit pochendem Herzen wandte sich Grace um. Vikrama!
Rasch legte sie ihrer Schwester den halb erkalteten Lappen auf die Stirn, dann rannte sie zum Fenster.
Der Mann hatte inzwischen einen kleinen Stoffbeutel unter seinen Kleidern hervorgeholt. Als sie das Fenster öffnete, reichte er ihn ihr mit den Worten: »Das ist von Kisah, sie sagt, dass du es unter das Wasser mischen sollst.«
»Ist das Chinarinde?«
»Ja, aber noch mit anderen Kräutern gegen das Fieber. Sie sagt, dass ihr Zustand zunächst ein wenig schlechter davon werden kann, doch dann sollte die Besserung bald eintreten.«
»Und könnte das Mittel gefährlich für sie sein?«
Vikrama schüttelte den Kopf. »In unserem Dorf nehmen es die Leute vorbeugend gegen Malaria. Eigentlich hätte ich es Ihrem Vater sagen sollen, aber ich bin davon ausgegangen, dass Sie wie alle Engländer hier Chinin ins Wasser tun.«
»Machen Sie sich keine Gedanken, das haben Sie nicht wissen können. Nicht einmal wir wussten es.«
Vikrama blickte sie auf einmal besorgt an. »Sie sollten vielleicht auch etwas davon nehmen. Nicht, dass Sie auch …«
»Noch fühle ich mich ganz gesund«, entgegnete Grace und stellte fest, dass sie sich über seine Fürsorge freute. »Aber danke, ich werde auch etwas davon nehmen.«
Kurz trafen sich ihre Blicke, dann huschte Vikrama auch schon wieder davon.
»Vielen Dank!«, rief sie ihm nach, worauf er sich umwandte und ihr zuwinkte.
Als er fort war, öffnete sie das kleine Beutelchen. Die Kräutermischung erinnerte ein wenig an Dung, doch der Geruch war wesentlich angenehmer. Wie sollte sie das unter das Wasser mischen, ohne dass es ihre Mutter mitbekam? Und was würde sie dazu sagen, wenn sie Victoria Medizin der Einheimischen gab? Schockiert würde sie sein und das Mittel sofort wegwerfen.
Kurz schlichen sich die Zweifel an. Taugte diese Medizin wirklich etwas? Hör auf dein Herz, wisperte eine Stimme in ihr.
Dann erinnerte sie sich wieder daran, wie die Heilerin Naala wieder auf die Beine gebracht hatte. Langsam zwar, aber mittlerweile arbeitete die Teepflückerin wieder.
Da Claudia ihrem Vater wohl immer noch in den Ohren lag, dem Boten jemanden hinterherzuschicken, ging Grace zur Anrichte, goss zwei Wassergläser ein und mischte kurzerhand etwas von den Kräutern darunter. Nachdem sie den Inhalt des einen Glases hastig hinuntergeschluckt hatte, ging sie mit dem anderen zu Victoria.
Würde sie es trinken? Wenn es giftig war, müsste sie doch als Erste die Auswirkungen spüren. Doch das Wasser tat ihren Eingeweiden nichts, also schöpfte sie Hoffnung. Schlimmstenfalls wirkte es gar nicht, aber das würde Victoria nicht umbringen.
»Victoria, Liebes«, redete sie sanft auf ihre Schwester ein, während sie den vor Fieberhitze glühenden Körper ein wenig anhob. »Ich habe hier Medizin, die musst du trinken.«
Victoria antwortete mit einem abwesenden Stöhnen, worauf Grace sie
Weitere Kostenlose Bücher