Die Schmetterlingsinsel
schicken.
»Sie hatten recht, Mr Green, die Firma erscheint mir wirklich kompetent.«
»Es freut mich, dass ich helfen konnte.«
»Sie wollen in einer halben Stunde bei der Klinik sein.« Diana seufzte. »Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, ob ich bereit bin für den Anblick.«
»Sie wird sich nicht wesentlich verändert haben«, entgegnete Mr Green. »Ich hatte mich auch vor dem gefürchtet, was der Tod aus meiner Mutter gemacht hat. Doch letztlich war es nicht schlimm. Sie hat ausgesehen, als würde sie schlafen. Vielleicht hat die Klinik Mrs Woodhouse auch schon in den Keller gebracht, um sie für den Bestatter bereitzumachen.«
Als er den Pragmatismus in seinen Worten bemerkte, verstummte Mr Green.
Diana war das gar nicht aufgefallen. Sie starrte auf die vorbeiziehende Landschaft, dann sagte sie unvermittelt: »Sie halten mich jetzt vielleicht für verrückt, aber ich würde sie, trotz meiner Angst, jetzt gern noch einmal sehen. Ich habe nur vor Augen, wie sie an die Schläuche und Kabel gefesselt war. Ich würde sie gern schlafend sehen, so als würde sie jeden Augenblick aufwachen und sich darüber wundern, was ich hier mache.«
»Das klingt in meinen Ohren alles andere als verrückt«, entgegnete der Butler, dann gab er Gas und ignorierte die Geschwindigkeitsbegrenzung, die gerade an ihm vorbeigezogen war.
Auf der Station herrschte glücklicherweise genug Trubel, so dass niemand Zeit hatte, Diana mitleidige Blicke zuzuwerfen. Die Schwester am Tresen bedeutete ihr, sich einen Moment auf die Stühle im Gang zu setzen. Während Diana wie betäubt einem Bett hinterhersah, das an ihr vorbeigeschoben wurde, fühlte sie sich seltsam ruhig. Natürlich wütete die Trauer in ihr, aber die Angst war fort. Sie brauchte sich nun keine Sorgen mehr um Emmely zu machen. Wenn es doch so etwas wie einen Himmel gab, war sie bei den Ihren und konnte ihnen berichten, was sie in ihren Jahren ohne sie erlebt hatte.
Dr. Hunter tauchte ganz unvermittelt neben ihr auf und erschreckte sie damit bis ins Mark.
»Oh, Doktor, entschuldigen Sie bitte!« Diana schlug die Hand auf die Brust. »Ich war in Gedanken.«
»Kann man Ihnen nicht übelnehmen.« Der Arzt reichte ihr die Hand. »Es tut mir sehr leid.«
Diana nickte, dann erhob sie sich in der Annahme, dass Dr. Hunter das Gespräch nicht im Gang führen wollte.
»Wir haben sie ins Sterbezimmer gebracht. Da wir wussten, dass Sie hier sind, wollten wir sie nicht gleich in den Keller bringen. Ich nehme an, der Bestatter ist informiert?«
»Ja.« Diana war es plötzlich, als würde der Boden unter ihren Füßen schwanken, gleich so, als hätte sie eine Panikattacke. Du bist in der Nähe eines Arztes, sagte sie sich rasch. Er wird dich schon auffangen, wenn du schlappmachst.
»Gut, dann wollen wir? Sie möchten sie doch bestimmt noch einmal sehen, oder?«
Sie musste genickt haben, denn Dr. Hunter führte Diana nun zu einem Zimmer am anderen Ende des Korridors, das sie nie betreten hatte.
Auf einmal schlug ihr das Herz bis zum Hals und sie hätte dem Arzt am liebsten mitgeteilt, dass sie es sich überlegt hätte. Dass ihr die Galerie von Emmely reichte, die sie bereits in ihrem Herzen trug.
Doch dann öffnete sich die Tür, und Diana sah sie.
Unter dem Laken wirkte Emmelys Körper zerbrechlich wie der einer alten Porzellanpuppe.
Von den Schläuchen und Kabeln befreit wirkte sie tatsächlich, als würde sie schlafen. Nur die dunklen Schatten unter ihren eingefallenen Augenhöhlen zeugten von dem zurückliegenden Leiden.
Ihr Haar, das jemand beinahe liebevoll auf dem Kissen ausgebreitet hatte, wirkte wie ein Brautschleier, in den jemand kupferne Fäden eingewebt hatte.
»Sie hatte einen ruhigen Tod«, erklärte Dr. Hunter. »Sie ist ganz einfach eingeschlafen. Als der Alarm losging, haben wir noch versucht, sie wiederzubeleben, aber sie hat sich anders entschieden.«
War der Tod wirklich eine Frage der Entscheidung? Hätte Emmely zurückgekonnt, wenn sie gewollt hätte? Oder hatte sie geglaubt, endlich gehen zu können, weil sie ihrer Großnichte nun von der Existenz des Geheimnisses erzählt hatte?
Diana presste die Hand vor den Mund, während Tränen aus ihren Augenwinkeln liefen. Trotz des Brennens in ihrer Brust war sie nicht imstande, laut zu weinen. Sie musste immerfort daran denken, dass Emmely nur deswegen so lange ausgehalten hatte, weil sie ihr den Auftrag geben wollte, das Familiengeheimnis aufzudecken.
Darüber überhörte sie auch die Ausführungen
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