Die Schmetterlingsinsel
Aufregung, dann griff sie nach Graces Hand. »Wir gehen hin und sehen uns das an, oder?«
»Wenn Mama es erlaubt.«
Claudia seufzte und sagte dann theatralisch: »Gab es denn jemals ein Verbot von mir, das euer Vater nicht aufgehoben hätte?«
»Aber ich lasse euch nur gehen, wenn ihr versprecht, vorsichtig zu sein«, wandte Henry Tremayne ein. »Elefanten sind keine Schoßhunde, sie können unter ihren Beinen einen Menschen zerquetschen.«
»Wir schauen sie uns von weitem an und laufen schnell weg, wenn sie kommen!«, versprach Victoria, während sie aufgeregt die Hand ihrer Schwester streichelte, als wollte sie sie auf diese Weise davon abhalten, irgendwelche Einwände zu äußern.
»Ja, das tun wir«, entgegnete Grace ihrer Schwester zum Gefallen.
»Nun gut, dann dürft ihr in den nächsten Tagen einen Spaziergang zum Berg hinauf machen. Vielleicht erbietet sich unser junger Freund von vorhin als Führer?« Mit hochgezogenen Brauen blickte er auf Cahill, der wiederum untertänig den Nacken beugte.
»Aber natürlich! Ich werde ihn gleich fragen, wenn ich ins Verwaltungsgebäude gehe.«
»Das ist sehr nett von Ihnen, aber keine Eile«, entgegnete Henry, während er ihm auf die Schulter klopfte. »Die Elefanten werden sicher nicht weglaufen. So, wie Sie es mir erklärt haben, wird die Rodung noch eine Weile dauern.«
»Natürlich wird sie das.«
»Gut, dann können meine Töchter sich ja noch ein wenig an das veränderte Klima gewöhnen.« Nun wandte sich Henry wieder dem Bild zu. »Ich glaube, wir lassen es da, was meinst du, Liebling?« Er lächelte seine Frau entwaffnend an. »Ein wenig Glück könnte uns nicht schaden.«
Während Claudia eine skeptische Miene machte, schaltete sich Cahill wieder ein.
»Wie Sie an dem Blumenschmuck erkennen können, ist dieser Ort für die Arbeiter auf diesem Gut so etwas wie ein Heiligtum. Sie bringen regelmäßig Geschenke für ihre Götter. Sie würden außerordentliche Weisheit an den Tag legen, indem Sie das Bild an seinem Platz beließen.«
Henry nickte nach kurzer Überlegung. »Also gut, es bleibt hängen. Angestellte, denen man ein paar kleine Freiheiten lässt, arbeiten schließlich besser, oder, Mr Cahill?«
Zweites Buch
Die Insel
der Schmetterlinge
Berlin, 2008
Eine Woche später saß Diana wieder in einer Maschine in Richtung London. Von Heathrow aus würde sie mit Sri Lanka Airlines nach Colombo fliegen. Obwohl es nicht ihr erster Langstreckenflug war, hatte sie einen Knoten im Magen. Ist es Flugangst oder Erwartung?
Erwartung wohl eher, dachte Diana, während sie versonnen vor sich hin lächelte und die Hand über Emmelys Seidenschal gleiten ließ, den sie als Glücksbringer mitgenommen hatte. In den vergangenen Tagen hatte sich noch so einiges getan. Unter anderem war ihr kurz vor ihrer Abreise von Mr Green ein kleiner Schatz zugeschickt worden. Angeblich hatte er ihn in einer alten Kiste auf dem Dachboden gefunden, als er dort die jährliche Reinigung vorgenommen hatte.
Diana bedauerte, dass sie nicht dazu gekommen war, sich auf dem Dachboden umzusehen. Auch wenn Emmely immer betont hatte, vieles von dem alten Krempel, der dort stand, weggegeben zu haben, schienen doch noch ein paar Erinnerungsstücke vorhanden zu sein. Mit etwas Derartigem hatte sie jedenfalls nicht gerechnet. Gleichzeitig mit dem Dank an Mr Green hatte sie ihn angewiesen, weiterhin die Augen aufzuhalten. Sie bezweifelte allerdings, dass er noch etwas Brauchbares finden konnte.
Nachdem die Stewardess Getränke ausgeteilt hatte und ihr Nachbar, ein japanischer Geschäftsmann, eingenickt war, erhob sie sich so vorsichtig wie möglich und reckte sich nach ihrem Handgepäck. Der uralte Reiseführer befand sich in der vorderen Tasche. Ein Lächeln huschte über Dianas Gesicht, als sie das grobe Papier unter den Fingern spürte. Als sie sich wieder auf ihren Sitz niederließ, strich sie mit dem Finger liebevoll über den groben Aufdruck, dann zog sie ein gefaltetes Papier hervor.
Darauf hatte sie das Foto des alten Teepäckchens, das Mr Green ihr geschickt hatte, ausgedruckt. Neben dem Namen der Handelscompany, die ihn verschifft hatte, befand sich auch ein Hinweis auf den Erzeuger. Als sie zum ersten Mal den Namen Tremayne Tea Company, Vannattupp u cci gelesen hatte, war ihr kurz der Atem gestockt. Das Foto war bereits ein erster Hinweis gewesen. Dass die Tremaynes eine Teeplantage besessen hatten, hatte ebenfalls zu den gut gehüteten Geheimnissen von Emmely gehört. Doch
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