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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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erleiden!«
    »Du vergisst, dass Mr Vikrama zur Hälfte Engländer ist. Ich habe gelesen, dass die Mischlinge hier sehr hohes An­sehen genießen. Sie bilden sogar eine eigene Kaste.«
    »Kaste?«, wunderte sich Grace, doch bevor Victoria antworten konnte, setzten sich ihr Vater und Vikrama wieder in Bewegung.
    Als sie ihnen den Rücken zugekehrt hatten, huschten Grace und Victoria um den Teeschuppen herum und erreichten ein weiteres Gebäude, aus dessen Fenster ein heißer Luftzug drang, als sie darunter hinwegschlichen.
    »Ihr Bruder hat in der letzten Zeit begonnen, die maschinelle Teefertigung einzuführen«, setzte Vikrama seine Ausführungen fort. »Die Qualität ist natürlich etwas niedriger als bei Handfertigung, dafür können wir größere Mengen zu einem günstigeren Preis herstellen, was besonders bei Kunden mit schmalerer Geldbörse gut ankommt.«
    Weiter ging es zum nächsten Gebäude, in dem unverkennbar eine Maschine arbeitete. Durch eines der Fenster zu spähen wagten sie allerdings nicht, denn ihr Vater und Vikrama verschwanden eine Weile in dem Gebäude. Die Ausführungen über die Funktionsweise wurden durch die dicken Lehmmauern so weit abgedämpft, dass sie nur Fetzen aufschnappten, die sich nicht zu einem Ganzen zusammenfügen ließen.
    Als sie alle Gebäude in Augenschein genommen hatten, wandten sie sich dem Busch zu, in den ein mit Holzbohlen befestigter Pfad führte.
    Nachdem sie den beiden Männern in großem Abstand durch die Botanik gefolgt waren, tauchte vor ihnen eine Art Dorf auf, Holzhütten mit Palmblattdächern, zwischen denen Kinder mit einem kleinen Hund spielten.
    »Hier wohnen wohl unsere Arbeiter.« Victoria reckte neugierig den Hals, worauf Grace sie ein Stück nach unten zog.
    »Sie werden uns noch entdecken.«
    »Keine Sorge, Vikrama spricht gerade mit einem alten Mann. Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Männer hier Röcke tragen?«
    »Das sind Sarongs«, belehrte Grace sie.
    »Woher weißt du das?«, wunderte sich Victoria darüber, dass ihr ihre ältere Schwester, die sich in letzter Zeit nur noch für Bälle und Teestunden interessiert hatte, nun doch ein Stück voraus war.
    »Ich habe ein paar Leute im Hotel darüber reden hören. Die Frauenkleider nennt man übrigens Sari.«
    In Victorias Augen funkelte die Lust, ihre Schwester zu schockieren. »Vielleicht sollten wir auch Saris tragen. Wie man an ihren nackten Bäuchen erkennen kann, tragen sie keine Korsetts.«
    »Vic…« Grace schlug sich die Hand vor den Mund und beobachtete, wie ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht ihrer Schwester huschte. Sie hatte gewonnen. »Das meinst du nicht ernst, oder? Diese Kleider sind recht unanständig, Mama würde …«
    »Einen Migräneanfall bekommen, genau«, vervollständigte Victoria ihren Satz. »Aber findest du nicht, dass die Korsetts in der Wärme noch mehr einschnüren?«
    Grace antwortete nicht darauf. Sie selbst hatte sich ein wenig mehr aus dem hohen Gras hervorgewagt. Genau in diesem Augenblick lachte Vikrama auf. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte so unverfälscht, dass sich selbst ihr strenger, Emotionen unterdrückender Vater davon anstecken ließ. Und auch Grace musste lächeln. Zu gern hätte sie gewusst, ob irgendein Scherz der Anlass für die Belustigung war.
    Doch dann verflog dieser Augenblick wieder, und nachdem sich die Männer verabschiedet hatten, kamen sie auf dem gleichen Weg, den sie gekommen waren, zurück.
    »Nichts wie weg hier!«, raunte Grace ihrer Schwester zu, dann liefen sie geduckt wieder ins Buschwerk zurück. Dass ihr Vater sie dabei beobachtet haben könnte, fiel ihnen erst ein, als sie hinter einem Busch Schutz suchten.
    Sterne flirrten unter Graces Lidern, als sie versuchte, ihren keuchenden Atem zu unterdrücken. Sie war das Rennen einfach nicht mehr gewöhnt.
    Als sie die Augen wieder öffnete, spähte Victoria gerade durch die Zweige. »Sie gehen zur Pflanzung hinauf!«
    Grace überlegte, ob sie die ganze Sache nicht abbrechen sollte. Außer bei den Schuppen hatten sie nicht lauschen können, und sie bezweifelte mittlerweile, dass sie etwas über den Vormann herausfinden würden. Doch da Victoria Feuer und Flamme war und sie selbst ihr Gesicht wahren wollte, erhob sie sich.
    »Also los, hinterher!«
    Der folgende Marsch dauerte noch länger und führte über künstlich angelegte, mit Holzbohlen verstärkte Treppen. Während ihr Vater und Vikrama in großem Abstand von ihnen die Stufen erklommen, unterhielten sie

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