Die Schmetterlingsinsel
sich lebhaft, und Grace ärgerte sich ein wenig, dass der milde Wind nicht genug Kraft hatte, um die Worte zu ihnen zu tragen. Nur die Bäume ringsherum raschelten, selbst die Rufe der Papageien wurden weniger.
Wie weit oben liegt die Plantage?, fragte sich Grace mit Blick auf den Adams Peak, der seine Spitze beinahe wie einen Zuckerhut in den Himmel reckte. Ein Vogelruf über ihnen ließ sie zusammenzucken. Das Tier, das über ihnen kreiste, erinnerte an einen Greif, aber Grace bezweifelte, dass es einer war.
Erschrocken blieb sie stehen, als sie sah, dass ihnen ein paar Teepflückerinnen entgegenkamen. Doch Victoria zog sie weiter. »Tu einfach, als sei es normal, dass wir hier sind«, riet sie ihrer älteren Schwester. Dennoch meinte Grace, dass die Frauen sie verwundert anstarren würden, nachdem sie die beiden Männer hinter sich gelassen und sie entdeckt hatten. Darüber entging ihr beinahe die Farbenpracht, die die Frauen zur Schau stellten. Ihre Saris waren zwar aus einfachen Stoffen hergestellt worden, aber dafür leuchteten sie in grellem Rosa, feurigem Orange und sonnigem Gelb. Dagegen wirkten Grace und Victoria in ihren beigefarbenen Kleidern wie Hühner neben einem Papagei.
Als sie an ihnen vorübergingen, verstummte das leise Gespräch der Frauen. Konzentriert auf ihre Schritte trugen sie die Körbe an ihnen vorbei. Erst als sie sich ein Stück entfernt hatten, flammte der exotische Singsang, der Grace die Erinnerung an die Sitzung mit dem merkwürdigen Alten zurückbrachte, wieder auf.
Ein merkwürdiger Schauer huschte über Graces Rücken.
»Höre immer auf dein Herz und folge ihm. Tust du es nicht, wirst du Unglück bringen über dich und jene, die du liebst.«
Die Worte, denen sie noch vor einigen Tagen keine Bedeutung beigemessen hatte, lähmten sie plötzlich.
»Was ist mit dir?«
Als Victoria an ihrem Ärmel zerrte, verschwanden die Worte und auch die Starre wieder.
»Nichts«, entgegnete Grace verwirrt. »Es ist nichts. Lass uns weitergehen.«
Victoria blickte sie zweifelnd an, doch Grace schritt jetzt weiter aus, und so blieb ihr nichts weiter übrig, als zu folgen.
Die Teepflückerinnen wirkten zwischen dem Grün der Teebüsche wie die ersten Rosenknospen im Frühjahr. Henry Tremayne war überwältigt von der grünen Pracht, die nun sein Eigentum war.
»Das ist das größte der drei Teefelder«, erklärte Vikrama mit einer ausladenden Handbewegung. »Hier ziehen wir den Tee heran, der in den Teeschuppen von Hand gerollt wird. Die beiden anderen Felder und das neue, das gerade noch gerodet wird, sind für die maschinelle Aufbereitung gedacht. Der Tee dort wächst dichter, aber die Qualität der Blätter ist aufgrund der höheren Lage etwas schlechter.«
Henry betrachtete den jungen Mann, dessen Augen, wenn er vom Tee sprach, stets leuchteten, als würde er ihn über seinen eigenen Besitz führen.
»Sie scheinen sehr viel für die Plantage zu empfinden.«
»Sie ist, solange ich denken kann, mein Zuhause. Ich kann mir keinen schöneren Ort auf dieser Welt vorstellen. Außerdem gibt die Plantage meinem Volk Arbeit und Brot, gegen solch einen Platz kann man keine Abneigung empfinden.«
Darauf schwieg Henry beeindruckt. Der Bursche ist wirklich gut. Beinahe schon gefährlich gut, wenn in seinen Augen nicht echte Hingabe leuchten würde.
»Erzählen Sie mir doch etwas über den Tee, der hier angebaut wird«, sagte er schließlich, bevor das Schweigen zwischen ihnen unangenehm werden konnte.
Ein leichtes Lächeln huschte über Vikramas Züge, dann begann er. »Ursprünglich waren dies hier Assam-Setzlinge, doch dank Mr Taylors Hilfe bei den Veredelungen sind wir dabei, eine eigene Art zu entwickeln, die mittlerweile sogar einen Namen bekommen hat. Ceylon.«
»Wie diese Insel.«
»Ganz recht. Und ich versichere Ihnen, eines Tages werden wir die anderen Sorten übertrumpfen.«
Mit angehaltenem Atem lauschten Grace und Victoria den Ausführungen Vikramas über den Tee. Zu gern hätte Grace gegenüber ihrer Schwester angemerkt, wie beeindruckend sie sein Wissen fand, doch sie hatten sich ein Stück zu weit vorgewagt, so dass sie nicht miteinander sprechen konnten, ohne dass es ihr Vater mitbekam.
Als sich die beiden Männer schließlich zum Gehen wandten, verharrten die Schwestern zwischen den Teebüschen und richteten sich erst auf, als die Männer außer Reichweite waren.
»Und jetzt?«, fragte Victoria, die sich ein wenig trockenes Teelaub vom Kleid sammelte.
»Wir bleiben
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