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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sich sein. Kaum eine Familie ist bereit, ihre Kinder zur Schule zu schicken.«
    »Nun, auf der Welt muss es auch jene geben, die weniger feinsinnige Arbeiten verrichten, nicht wahr?« Henry erhob sich. »Ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Führung und hoffe, dass Sie mit Ihrem Wissen über den Tee nicht hinter dem Berg halten.«
    »Ich werde mein Möglichstes tun.«
    Die beiden Männer erhoben sich nun wieder und verließen das Arbeitszimmer.
    Keuchend presste sich Grace gegen die Hauswand. Ihr Herz klopfte wild, als hätte man sie bei etwas Unerlaubtem ertappt. »Hast du den Verstand verloren?«, zischte sie ihrer Schwester zu. »Ich könnte wetten, dieser Vikrama hat uns gesehen.«
    »Dann hätte er Papa doch ohne Zweifel Bescheid gegeben, und der wäre zum Fenster gekommen!«, gab Victoria zurück. »Du solltest ein wenig mutiger sein, immerhin hast du den Vorschlag gemacht, ihnen nachzuschleichen.«
    Grace wollte darauf etwas antworten, doch das Knirschen von Kieseln ließ die Worte in ihrer Kehle versiegen. »Sie kommen!«
    Rasch erhoben sich die beiden und huschten zu einem Rhododendron mit weißen Blüten, durch dessen Zweige sie ihren Vater und den Vormann beobachteten. Ohne den Blick zur Seite zu wenden, strebten sie dem Nebengelass zu, in dem die Verwaltung der Plantage untergebracht war. Das würde noch nicht sonderlich spannend werden, also beschloss Grace, dass sie noch ein Weilchen hier warten und sich beruhigen würden.
    »Vielleicht sollten wir zu den Teeschuppen vorlaufen«, schlug Victoria ungeduldig vor. »Wahrscheinlich werden sie als Nächstes dorthin gehen.«
    »Und du glaubst nicht, dass sich die Leute über unser scheinbar grundloses Auftauchen wundern würden?«
    »Sie wundern sich auch, wenn wir Papa hinterherschleichen. Also lass uns gehen, bevor uns der Gärtner entdeckt.«
    Tatsächlich war der dunkelhäutige Mann gerade dabei, nicht weit von ihr entfernt eine Hecke zu schneiden. Das gleichmäßige Schnippen der Schere war deutlich zu vernehmen, wenn die Papageien in den Bäumen kurz Ruhe gaben.
    »Also gut, dann komm.«
    Grace richtete sich auf, zupfte ein Blatt, das versehentlich an der Spitze ihres Ärmels hängen geblieben war, ab und strich sich den Rock glatt. Mit ihrer Schwester an der Hand schritt sie den Weg entlang, als würde sie lediglich einen Spaziergang machen. Ein paar Männer kamen ihnen mit gesenktem Haupt entgegen, eine Frau mit leerem Teekorb auf dem Kopf lächelte sie freundlich an.
    Bei den Teeschuppen erwartete sie ein überwältigender Duft. Das, was den Teedosen in der Küche entströmte, war nur ein schwacher Abglanz des wahren Teeduftes. Auf Rosten und Hürden waren Teeblätter in unterschiedlichen Welkstadien ausgebreitet. Während einige Blätter noch frisch waren und einen grünen Geruch verbreiteten, lagerten auf anderen Rosten hellbraune, dunkelbraune und sogar rostrote Teeblätter. An Tischen neben den Schuppen saßen Frauen, die die Teeblätter, bei denen die Welke schon etwas fortgeschritten war, zu kleinen Rollen formten.
    Weitere Eindrücke konnten Grace und Victoria erst einmal nicht sammeln.
    »Sie kommen!«, zischte Victoria, deren wachsame Augen das Verwaltungsgebäude beobachtet hatten. Gemeinsam verschwanden die beiden Mädchen hinter den Teeschuppen, wo einige Körbe aufgeschichtet waren.
    Wenn die konzentriert arbeitenden Frauen ihre kurze Anwesenheit mitbekommen hatten, ließen sie sich nichts anmerken. Auch angesichts ihres neuen Herrn und seines Vormannes unterbrachen sie ihre Arbeit nicht.
    »Dies hier sind die Teeschuppen, in denen der Tee noch per Hand gefertigt wird, wie es auch in China Brauch ist«, führte Vikrama aus, während Henry Tremayne den Blick über die Gebäude schweifen ließ, die mit Bananen- und Palmlaub ­gedeckt waren. »Nachdem der Tee den richtigen Welkegrad erreicht hat, wird er in den Trocknungsofen gebracht. Unser Teemaster, Mr A. Soresh, ist ein Meister im Erkennen des richtigen Welkegrades. Bisher war noch jeder Jahrgang, der unsere Plantage verlassen hat, hervorragend.«
    Henry sagte darauf nichts, er sah sich nur um, als hätte ihn irgendein Sturm in ein fernes Märchenland befördert.
    »Er scheint ihn zu beeindrucken«, wisperte Grace gegen die Hausecke. »Vater ist nur selten sprachlos.«
    »Dieser Mr Vikrama ist auch beeindruckend«, gab Victoria augenzwinkernd zurück. »Schade nur, dass ich zu jung für ihn bin.«
    »Du würdest einen Einheimischen heiraten wollen? Mama würde einen Herzanfall

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