Die Schnapsstadt
Eis. Im dunklen Zimmer leuchtete die Öllampe wie eine Fackel und ließ das weiße Papier in den Fensterrahmen glitzern. Eisige Luft strömte durch die Spalten und Ritze im Fensterpapier. Der dunkle Qualm der Öllampe stieg in verschlungenen Ringen zur Decke auf. Siebte Tante und die beiden Kinder des Siebten Onkels schliefen in einer Ecke des Betts. Die Atemzüge des Mädchens waren ruhig und regelmäßig. Der Junge atmete schwer, einmal hell zischend, einmal dumpf keuchend. Dazwischen murmelte er Unverständliches, das nach einem Kampf mit einer Räuberbande klang. Siebte Tante, eine helläugige gebildete Frau mit einem nervösen Magen, rülpste hörbar. Siebter Onkel sah aus wie ein schwachsinniger Wirrkopf. Sein charakterloses Gesicht, dem alle markanten Züge fehlten, glich einem klebrigen Reiskuchen. Seine umwölkten Augen waren reglos auf die Öllampe gerichtet. In Wirklichkeit war Siebter Onkel ein intelligenter Mann, der mancherlei Tricks und Ränke gebraucht hatte, um die gebildete und zehn Jahre jüngere Siebte Tante dazu zu bringen, ihn zu heiraten. Es war ein langer und komplizierter Feldzug gewesen, den wir hier nicht darstellen können. Siebter Onkel war Amateurtierarzt und konnte die Vene im Ohr einer Sau punktieren, um ihr eine intravenöse Penizillinspritze zu verabreichen. Außerdem konnte er Eber, Hunde und Esel kastrieren. Wie alle Dorfbewohner trank er gern. Aber jetzt waren die Flaschen leer, alles Getreide, aus dem man Schnaps hätte brennen können, war aufgebraucht, und die tägliche Nahrung war zur wichtigsten Sorge geworden. Wir haben die langen Winternächte mit knurrenden Mägen ertragen, sagte er, und damals konnte niemand ahnen, zu was ich es bringen sollte. Ich bestreite nicht, dass meine Nase hoch empfindlich für Alkohol ist, besonders in ländlichen Wohngegenden, wo die Luft nicht verschmutzt ist. In ländlichen Wohngegenden sind in kalten Winternächten die verschiedensten Gerüche klar und deutlich zu erkennen, und wenn in einem Umkreis von mehreren hundert Metern jemand Alkohol trinkt, kann ich ihn riechen.
Als die Nacht sich immer tiefer über uns senkte, entdeckte ich in nordöstlicher Richtung den Geruch von Schnaps, einen subtilen, verführerischen Duft, der zu mir herüberwehte, obwohl zwischen seiner Quelle und mir eine Mauer war, obwohl er über ein schneebedecktes Dach nach dem anderen schweben, den Panzer eisumhüllter Bäume durchbrechen und über Straßen ziehen musste, auf denen Hühner, Gänse, Enten und Hunde sich an ihm berauschten. Das Bellen der Hunde war voll fröhlicher Trunkenheit und rund wie eine Schnapsflasche. Der Duft berauschte die Sternbilder am Himmel, die vergnügt zwinkerten und in der Höhe schwankten wie kleine Kinder auf einer Schaukel. Betrunkene Fische im Fluss versteckten sich unter zarten Wasserpflanzen und spuckten reife, klebrige Luftblasen aus. Selbst die Vögel trotzten der kalten Nachtluft und sogen im Flug den Schnapsduft ein, unter ihnen zwei dicht gefiederte Eulen. Der Duft erreichte sogar ein paar Wühlmäuse, die in ihren unterirdischen Höhlen an Graswurzeln kauten. In diesem trotz der klirrenden Kälte so lebendigen Landstrich nahmen viele Lebewesen am Beitrag des Menschen zum Glück teil. Heilige und hehre Gefühle wurden so geboren. Alkohol ist seit der Zeit der heiligen Urkaiser beliebt. Einige sagen, es gebe ihn, seit Yi Di im Jahre 2200 vor unserer Zeitrechnung den Wein erfand. Andere sagen, wir kennten ihn, seit Du Kang im vierten Jahrhundert Schnaps für die Könige von Zhou brannte. Alkohol erhebt uns zu den Göttern. Warum bringen wir ihn beim Ahnenopfer dar und verwenden ihn, um den gefangenen Seelen der Toten die Freiheit zu schenken? In dieser Nacht habe ich es verstanden. In ihr wurde ich zum Eingeweihten. In dieser Nacht erwachte ein Geist, der in mir geschlummert hatte, und ich nahm Verbindung auf zu einem kosmischen Mysterium, das Worte nicht beschreiben können, einem schönen und zarten, fröhlichen und freundlichen, mitreißenden und sorgenreichen, feuchten und duftenden Rätsel. Versteht ihr, was ich meine?
Er breitete die Arme aus, als wolle er sein Publikum umarmen, das hingerissen zu ihm aufsah. Wir saßen mit hervorquellenden Augen und offenen Mündern da, als wollten wir das Katheder stürmen und das geheimnisvolle Gebräu, das er in seinen leeren Handflächen hielt, erst gründlich betrachten, um es dann zu genießen.
Die Farben, die in deinen Augen strahlen, sind unglaublich bewegend. Nur die, die mit
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