Die Schnapsstadt
und diesen Wohlstand erst nach der Ankunft der beiden Feen erreicht. Die Elite von Jiuguo ist nicht dumm und würde nie zulassen, dass die geliebten Töchter eines hochrangigen Funktionärs in der schäbigen Taverne irgendeines beliebigen Privatunternehmers arbeiten. Ihr wisst ja, wie es heutzutage zugeht, und so brauche ich wohl keine Zeit an einen Bericht über die dramatischen Veränderungen verschwenden, die im Lauf des letzten Jahres in Yichis Taverne stattgefunden haben. Aber vergebt mir, wenn ich einen kurzen Blick auf die Vergangenheit werfe. Die Gemeinde Jiuguo hat den beiden Feen, bevor ihre Mutter nach Schanghai zurückkehrte, eine kleine Villa im Stadtzentrum in der Nähe des Stadtparks zur Verfügung gestellt. Außerdem hat jede einen kleinen Fiat bekommen. Haben Sie die beiden Fiats gesehen, die unter dem alten Granatapfelbaum parken?
Der Empfangschef in seiner roten Uniform und roten Mütze kommt uns entgegen, um uns zu begrüßen. Er hat den Körper eines zweijährigen Kindes und den entsprechenden Gesichtsausdruck. Er schwankt ein wenig, wenn er über den dicken Teppich schreitet, und seine Hüften rollen von einer Seite zur anderen wie bei einem kleinen Entlein, das durch den Schlamm watet. Er führt uns ins Lokal wie ein pelziger kleiner Blindenhund.
Wir steigen eine Treppe aus rot lackiertem Kiefernholz hoch. Auf dem obersten Treppenabsatz stößt der kleine Junge in Rot eine Tür auf und tritt, den rechten Arm vor der Brust verschränkt, den linken senkrecht herabhängend, beiseite. Die Geste hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Körperhaltung eines Verkehrspolizisten. Beide Hände sind steif und glatt, wobei die linke Handfläche nach innen weist, die rechte nach außen. Beide weisen in die gleiche Richtung: die Traubenhalle.
Treten Sie ein, liebe Freunde, und genieren Sie sich nicht. Heute sind wir die Ehrengäste, und die elegante Traubenhalle ist für uns reserviert. Während Sie die Weintrauben betrachten, die von der Decke herabhängen, fällt mein Blick zufällig auf den kleinen Kerl, der uns hierher geführt hat. Seine verhangenen lächelnden Augen senden giftige Strahlen aus. Wie vergiftete Pfeilspitzen können sie alles faulen lassen, mit dem sie in Berührung kommen. Ich fühle einen stechenden Schmerz in den Augen, und plötzlich glaube ich, ich sei erblindet.
In diesem kurzen Augenblick völliger Dunkelheit spüre ich meinen Herzschlag. Der kleine Dämon in Rot, den ich in meinen Erzählungen Fleischkind und Wunderkind erschaffen habe, ist mir plötzlich leibhaftig erschienen und sieht mich mit finsteren Blicken an. Er ist es! Ja, er ist es! Schmale Augen, große, dicke Ohren, krauses Haar und eine Körpergröße von 66 Zentimeter. In Wunderkind habe ich den Aufruhr detailliert geschildert, den er in der Abteilung für Sondereinkäufe der Akademie für Kochkunst angezettelt hat. In dieser Erzählung habe ich ihn als einen kleinen Verschwörer und ein strategisches Genie dargestellt. Ich habe meinen Bericht an der Stelle abgebrochen, wo er sich gemeinsam mit den anderen Kindern im Gelände versteckte, nachdem sie den Wächter – den «ungefiederten Falken» – totgeschlagen hatten. Ursprünglich sollten alle Kinder wieder eingefangen und in das Forschungsinstitut für Kochkunst, die Wirkungsstätte meiner Schwiegermutter, verfrachtet werden, um sie dort zu kochen, zu dämpfen oder zu dünsten. Nur der kleine Dämon entkam durch den Abwasserkanal. Dann fiel er Bettlern in die Hände, die im Kanal nach Küchenabfällen fischten, und begann ein neues legendäres Leben. Aber statt sich an meine Gebote zu halten, lehnte er sich gegen seinen Schöpfer auf und floh aus meiner Erzählung, um sich Yu Yichis Zwergenteam anzuschließen. Jetzt steht er in einer scharlachroten Wolluniform, einer fleckenlos weißen Fliege, einer roten Pagenmütze und schwarzen Lackschuhen vor mir.
Aber was immer für unvorhergesehene Ereignisse auch eintreten, ich darf meine Gäste nicht vergessen. Also unterdrücke ich den tobenden Sturm in der Tiefe meines Herzens, setze ein gezwungenes Lächeln auf und setze mich mit Ihnen zu Tisch. Die weichen Polsterstühle, das schneeweiße Tischtuch, die bunten Blumen und die gedämpfte Musik nehmen unsere Sinne gefangen. Hier muss ich eine Anmerkung einfügen: Die Tische und Stühle in der Zwergentaverne sind sehr niedrig und deshalb umso bequemer. Eine Kellnerin, kaum größer als ein Vögelchen, bringt ein Tablett mit desinfizierten heißen Handtüchern. Sie ist
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