Die Schnapsstadt
nicht wagen, mir einen Scherz zu erlauben. Aber wie die Dinge nun einmal stehen, sage ich frech grinsend: «Na, alter Freund. Du hast ja richtig Erfolg bei den Frauen. Und immer noch hinter den ganz großen her. Wie ein Wiesel, das sich in den Kopf gesetzt hat, ein Kamel zu vögeln.»
Er lacht ein finsteres Lachen, sein Gesicht läuft grün und violett an, und in seinen Augen strahlt ein bedrohliches Licht. Er breitet die Arme aus wie die Schwingen eines alten Falken, der sich in die Luft erheben will. Er wirkt absolut Furcht einflößend. In all den Jahren, die ich ihn schon kenne, habe ich ihn nie so erlebt. Vielleicht hat mein kleiner Scherz seine Gefühle verletzt. Plötzlich habe ich das Gefühl, ich hätte einen Fehler gemacht.
«Du kleiner Wichser!» Zähneknirschend kommt er auf mich zu. «Wie kannst du es wagen, dich über mich lustig zu machen!»
Den Blick auf seine scharfen, vor Wut zitternden Klauen gerichtet, weiche ich zurück. Ich fühle, dass meine Kehle gefährdet ist. Ja, er könnte jeden Augenblick wie ein Donnerschlag auf meine Schultern springen und mir die Kehle aufreißen.
«Tut mir Leid, alter Junge, wirklich.» Ich stehe mit dem Rücken zur stoffbespannten Wand und versuche immer noch, weiter zurückzuweichen. Dann kommt mir eine Idee. Ich strecke die Arme aus und ohrfeige mich kräftig selbst: Peng – peng – peng! Der Schall hängt in der Luft, meine Ohren dröhnen, ich sehe Sterne. «Es tut mir Leid, alter Junge. Ich verdiene nicht, am Leben zu sein. Ich bin nichts als ein Tier. Ich bin ein Arschloch. Ich bin ein schwarzer Eselspimmel.»
Nach dieser Darbietung verwandelt sich das grünliche Violett seines Gesichts in trübes Gelb, er lässt die Arme sinken, und ich sinke erschöpft zu Boden. Er zieht sich auf seinen schwarzen Lederthron zurück. Er sitzt nicht wie ein normaler Mensch, sondern kauert sich auf die Sitzfläche. Er zieht eine teure Zigarette aus dem Etui, zündet sie mit einem Feuerzeug an, das eine hohe, zischende Flamme ausspeit, nimmt einen langen Zug und stößt den Rauch aus. Gedankenverloren starrt er auf das Tapetenmuster. In Augen wie Pfützen von schwarzem Wasser liegt ein tiefer, geheimnisvoller Blick. Ich stehe ängstlich an der Tür und erschrecke vor meinen eigenen Gedanken: Wie hat sich dieser Clown, ein Zwerg, über den sich jeder lustig machte, in den arroganten Tyrannen verwandelt, der mir jetzt gegenübersteht? Und warum zittere ich, ein würdiger Doktorand, vor einer abstoßenden Kreatur von nicht einmal fünfzig Zentimetern mit einem Gewicht von allenfalls fünfzehn Kilo? Seine Antwort ist schnell wie ein Pistolenschuss und unmissverständlich.
«Ich werde alle schönen Frauen von Jiuguo ficken.» Er erhebt sich aus seiner kauernden Stellung und steht mit erhobener Faust auf dem Sessel. Feierlich verkündet er: «Ich werde alle schönen Frauen von Jiuguo ficken.»
Vor Aufregung fast platzend und von einem Ohr zum anderen grinsend, bleibt er eine lange, lange Zeit mit erhobenem Arm stehen. Ich kann spüren, wie die Ruder in seinem Kopf die Wasser seines Gehirns schlagen und wie das Schiff seines Bewusstseins auf den weißen Schaumkronen seines Geistes tanzt. Ich halte den Atem an, um seinen Traum nicht zu stören.
Schließlich entspannt er sich, wirft mir eine Zigarette zu und fragt freundlich: «Kennst du sie?»
«Wen?», frage ich zurück.
«Die Frau, die gerade gegangen ist.»
«Nein … obwohl … sie erinnert mich an irgendjemand …»
«Die Fernsehmoderatorin!»
«Natürlich, die!»
Jetzt, wo es mir einfällt, schlage ich mir vor die Stirn. Sie steht da, hält ein Mikrophon in der Hand, trägt ein süßes Lächeln im Gesicht und spricht uns an, ohne viel zu sagen.
«Das ist die Dritte!», sagt er, und ein irres Lächeln spielt um seine Lippen. «Jawohl, die Dritte …»
Plötzlich wird seine Stimme heiser und ruhig, und das Licht in seinen Augen erlischt. Von einem Augenblick auf den anderen bedecken Falten ein Gesicht, das eben noch so gepflegt wirkte wie feine Jade, und ein Körper, der ohnehin schon immer klein war, scheint noch weiter zu schrumpfen. Er sinkt in seinem Thronsessel zusammen.
Ängstlich und verwirrt rauche ich meine Zigarette und sehe wortlos meinen alten Freund an.
«Ich werde es euch allen zeigen, ihr …» Sein Murmeln durchbricht die bedrückende Stille. Er hebt den Kopf. «Wolltest du etwas von mir?»
«Ich habe ein paar Freunde mitgebracht. In der Traubenhalle …» Ich bin immer noch etwas verwirrt. «Ein
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