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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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einschließlich des Unterleibs ab, der Flecken von Körperflüssigkeiten der Frau oder Geliebten des für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Abteilungsleiters Jin Gangzuan aufweist. Er trocknet seinen nackten Körper ab und bereut die Furcht, die ihn eben noch befallen hatte. Ich habe kein Verbrechen begangen, sondern bin in eine Falle gegangen, die zwei Kriminelle mir gestellt haben.
    Er warf das Handtuch in die Luft und sah zu, wie es vor Jin Gangzuan zu Boden fiel. Der Backenmuskel des Stellvertretenden Abteilungsleiters für Öffentlichkeitsarbeit war inzwischen in unkontrollierbare Zuckungen verfallen. Sein Gesichtsausdruck war kalt wie Stahl. «Sie haben eine tolle Frau», sagte Ding Gou'er. «Schade, dass sie sich mit Abschaum wie Ihnen zusammengetan hat.»
    Er wartete auf einen Wutausbruch Jin Gangzuans. Aber der Mann verfiel nur in ein unerwartetes brüllendes Lachen. Allmählich geriet Ding Gou'er in Panik.
    «Worüber lachen Sie?», fragte er. «Glauben Sie wirklich, Sie könnten Ihre Schuldgefühle hinter Gelächter verbergen?»
    Jin Gangzuan hörte plötzlich auf zu lachen, fuhr sich mit einem Taschentuch über die feuchten Augen und sagte: «Ich frage Sie, Genosse Ding Gou'er, wen plagen hier Schuldgefühle? Sie haben sich in meine Wohnung eingeschlichen und meine Frau vergewaltigt. Und dafür habe ich unwiderlegbare Beweise.» Er klopfte auf die Tasche, in der der Film steckte. «Ein Beamter der Staatsanwaltschaft», fuhr er fort, «der alle Gesetze bricht, die zu hüten er geschworen hat, macht sich eines schweren Vergehens schuldig.» Er atmete durch einen Mundwinkel ein. «Also wer hat hier Schuldgefühle zu haben?», fragte er spöttisch.
    Ding Gou'er knirschte mit den Zähnen. «Ihre Frau hat mich vergewaltigt.»
    «Das ist das Komischste, was ich seit langem gehört habe», sagte Jin Gangzuan mit zuckendem Backenmuskel. «Eine wehrlose Frau soll einen kräftigen, mit einer Pistole bewaffneten Kung-Fu-Meister vergewaltigt haben.»
    Der Ermittler wandte sich zu der Frau um, die auf dem Fußboden kniete. Ihr Blick war verschleiert, als wäre sie in Trance, und aus den Nasenflügeln tropfte Blut. Ein Zucken lief durch Ding Gou'ers Herz, in dem sich plötzlich und unerwartet wieder freundschaftliche Gefühle für den heißen Bauch der Lastwagenfahrerin ausbreiteten, bis seine Augen brannten und ihm die Tränen kamen. Er bückte sich, um den weggeworfenen Bademantel aufzuheben, mit dem er der Frau das Blut von Mund und Nase wischte. Wenn er sie nur nicht so stark geschlagen hätte! Er entdeckte zwei Wassertropfen auf seinem Handrücken. Schwere undurchsichtige Tränen tropften hörbar – ping, ping, ping – aus ihren Augen.
    Ding Gou'er nahm die Lastwagenfahrerin in die Arme, legte sie aufs Bett und deckte sie mit einer Decke zu. Dann sprang er in die Luft, holte seine Unterhose vom Kronleuchter und zog sie an. Danach öffnete er die Balkontür, sammelte den Rest seiner Kleider ein und zog sich an. Jin Gangzuan sah mit zuckendem Backenmuskel zu, wie Ding seine Pistole vom Tisch nahm, sie sicherte und in den Gürtel steckte, bevor er sich wieder setzte.
    «Legen wir die Karten auf den Tisch», sagte Ding Gou'er.
    «Was für Karten?», fragte Jin Gangzuan.
    «Stellen Sie sich nicht dumm», sagte Ding Gou'er.
    «Nicht dumm, sondern verletzt», sagte Jin Gangzuan.
    «Verletzt? Weswegen?», fragte Ding Gou'er.
    «Verletzt durch die Entdeckung, dass die Elite der Parteikader unseres Landes ein verkommenes Subjekt wie Sie hervorgebracht hat.»
    Ding Gou'er: «Ich bin ein verkommenes Subjekt, weil ich Ihre Frau verführt habe. Das ist in der Tat verkommen. Aber es gibt Leute, die braten und essen kleine Jungen. Das ist nicht verkommen, denn um verkommen zu sein, muss man erst einmal ein Mensch sein, und so etwas ist tierisch.»
    «Ha! Ha! Ha!» Jin Gangzuan klatschte in die Hände und lachte fröhlich. «Das klingt wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht», sagte er, als er endlich aufhörte zu lachen. «Bei uns hier in Jiuguo gibt es eine weltberühmte kulinarische Spezialität, die von außerordentlicher Phantasie und Kreativität zeugt. Mitglieder der Zentralregierung haben davon gegessen. Sie haben davon gegessen. Wenn wir also kannibalische Untiere sind, dann sind Sie es auch.»
    Höhnisch lächelnd antwortete Ding Gou'er: «Wenn Sie ein reines Gewissen haben, warum mussten Sie mich in eine Sexfalle locken?»
    «Nur der Abschaum aus der Oberstaatsanwaltschaft wie Sie hat eine hinreichend perverse

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