Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
eigenständig in Gang zu setzen. Kirill wusste auch vieles andere nicht, zum Beispiel dass Feliks ein Netz von Tankschiffen für den Drogenhandel benutzte.Es genügte Kirill, wenn er erfuhr, dass die Lieferung sicher in Finnland eingetroffen war.
Unter grauen Wolken schlängelte sich die Themse durch den Süden von London. Inmitten des Verkehrs, der die Wandsworth Bridge überquerte, kroch ein langer, dunkelbrauner Maybach voran, der nach Norden in die York Road einbog, die dem Fluss folgte. Auf dem Rücksitz des gepanzerten Wagens las Kirill Rischnikow hinter verdunkelten Scheiben den Brief des Rektors und ärgerte sich.
»… weshalb wir Ihrer Tochter einen schriftlichen Verweis erteilen müssen.«
Kirill zerknüllte den Brief und konnte es sich nur mit Mühe verkneifen, Anna auf der Stelle anzurufen. Nein, er musste sich zuerst beruhigen und sich eine behutsame Methode einfallen lassen … Wenn man es mit einem Teenager zu tun hatte, nutzten weder eine Karriere beim KGB noch das Agieren in beinharten Geschäftskreisen.
Als Anna geboren wurde, war er schon im reiferen Alter, und er räumte seine pädagogischen Mängel freimütig ein. Aber irgendwie musste er der Sechzehnjährigen dennoch beibringen, dass man Klassenkameradinnen nicht beliebig piesacken konnte.
Es hatte Kirill einiges gekostet, für Anna einen Platz in der Londoner Privatschule zu bekommen. Ihm war aufgefallen, dass der Tennisplatz der Schule erneuert werden musste, aber der Rektor ging auf sein Angebot, einen neuen Platz zu finanzieren, absolut nicht ein. Daraus schloss Kirill, dass der Mann die Offerte für zu gering befand, weshalb er anbot, zusätzlich eine neue Turnhalle zu finanzieren. Erst dieser Vorschlag hatte Anna den Weg geebnet – der jetzt wegen ihrer eigenen Idiotie ein jähes Ende zu nehmen drohte.
Der Chauffeur hielt auf dem Parkplatz des Hubschrauberlandeplatzes Battersea an. Kirill stieg aus und begrüßte denPiloten des Sikorsky S-76, der auch gebraucht noch 4,6 Millionen gekostet hatte. Dann kletterte er in die Passagierkabine. Die Fahrt von der Stadtwohnung in Mayfair zum Haus in St. George’s Hill in Surrey dauerte mit dem Auto eine Stunde, mit dem Helikopter brauchte er gerade mal zwanzig Minuten.
Nach der Landung auf dem Rasen des Gutshauses eilte Kirill in sein Arbeitszimmer und rief Feliks in Finnland an.
»Alles läuft planmäßig« , versicherte dieser.
Kirill meinte, eine gewisse Anspannung in Feliks’ Stimme herauszuhören. Oder bildete er sich das nur ein?
Früher hatte er mit Feliks zusammen für den KGB gearbeitet. Als er dann in die freie Wirtschaft ging, engagierte er den ehemaligen Kollegen als Sicherheitschef von TerraEnergo.
»Gut«, erwiderte Kirill. »Das wollte ich hören.«
»Und bei dir?«
»Anna hat schon wieder einen Verweis von der Schule bekommen. Sag mir, was ich mit ihr machen soll.«
17
Riku stellte seinen Fiat am Bahnhof Tikkurila auf dem Parkplatz ab und warf einen nervösen Blick auf die Taxis. Die Polizei stützte sich oft auf die Hilfe von Taxifahrern, das war eine schnelle und effektive Methode, überall in der Stadt die Augen und Ohren offen zu halten.
Nachdem er Bykows Handlanger mit Müh und Not in der Nähe des Kindergartens abgeschüttelt hatte, war er zu Jone gefahren, um den Mercedes, trotz Leos lautstarkem Protest, gegen den Fiat zu tauschen. Das schnelle und brutale Vorgehen der Russen machte den Ernst der Lage unmissverständlich deutlich. Am schlimmsten fand Riku jedoch, dass ihm inzwischen bestimmt auch die eigenen Kollegen auf den Fersen waren.
Der Fiat war langsamer als der Mercedes, aber Vatanen von der Sicherheitspolizei hatte recht gehabt mit seinem Hinweis, das alte Coupé bliebe viel zu gut im Gedächtnis, vor allem in rundum verbeultem Zustand. Jone, mit dem er sich schon angefreundet hatte, als er mit dreizehn Jahren von Moskau nach Helsinki-Myyrmäki gekommen war, betrieb bei sich zu Hause eine Autowerkstatt. Riku hatte zunächst sogar an ihn gedacht, als er überlegte, wo er Leo in Sicherheit bringen sollte. Jone kam auch gut mit Leo aus, aber ihm fehlten die Ecken und Kanten, um eine solche Verantwortung zu übernehmen. Roope hätte sie, aber der war gerade mit seiner Freundin für einen Monat in Laos unterwegs. Einige andere schieden aus, weil Riku nicht glaubte, dass Leo sich mit ihnen verstehen würde.Schließlich war ihm die einzige Person eingefallen, die infrage kam.
Er drehte sich zum Rücksitz um: »Komm, wir schauen uns die Züge
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