Die schöne Betrügerin
einst der jetzige Premierminister Lord Liverpool eingenommen und danach für kurze Zeit Dalton Montmorency, bevor er zurückgetreten war, um Chef des Liar’s Club zu werden.
Ein geheimer Ritterorden, in der Tat. Zeit, das Thema zu wechseln. »Erzähl mir von deinem Training.« Jetzt war es an Collis wegzusehen. »Es geht nur langsam voran. Aber mit nur einem brauchbaren Arm dauert eben alles doppelt so lang.«
»Ist denn eine Verbesserung zu verzeichnen?« James hatte die Frage lange nicht mehr gestellt, weil er wusste, wie sehr Collis es hasste, sie zu beantworten. Die Antwort war immer dieselbe.
»Keine nennenswerte. Die Muskeln sind – Kurt zufolge – etwas kräftiger geworden, aber träfe mich ein Dolch in die Hand, würde ich ihn immer noch nicht spüren, ganz zu schweigen davon, mich mit dieser Hand zu verteidigen.« Collis’ Gesicht war düster. »Die meiste Zeit hängt der Arm nur so herum«, setzte er angewidert hinzu.
»Aber die Liars-Ausbildung besteht nicht nur aus Selbstverteidigung.« Collis zuckte die Achseln. »Ach, in den anderen Fächern geht es mir gut, auch wenn es mich etwas irritiert, dass ich meine Prüfungen zusammen mit Hausmädchen und Rattenfängern absolviere.«
»Snob.«
»Na, da hört mal den mächtigen Apfelbauern! Du wärst auch ein verdammter Snob, wenn dich eine Kammerzofe übertrumpft, die nicht richtig lesen und schreiben kann!«
Aha. Da lag also die Wurzel des Problems. Lady Etheridge hatte sich einst mit einem gewitzten kleinen Hausmädchen namens Rose angefreundet. Als Dalton nach Clara gesucht und Rose gefunden hatte, hatte er Rose aus der Knechtschaft von ihrem boshaften Dienstherren befreit und sie als erste Frau überhaupt für den Liars Club rekrutiert.
»Sie hat also schon wieder bessere Zensuren als du?«
»Ja, verdammt. Und ich habe diesmal wirklich gelernt.«
James nickte. »Sicher. Aber Rose hat ein ganzes Leben an Bildung nachzuholen. Sie ist sehr ehrgeizig.«
»Sie ist, verdammt noch mal, besessen; ja, genau das ist sie.«
»Übertreibst du da nicht ein bisschen? Aber was soll’s, Besessenheit kann einer Einsatzkraft mitunter überaus nützlich sein.«
Collis knurrte etwas Unverständliches, dann wechselte er das Thema. »Du hast wie eine Gewitterwolke dreingeschaut, als du aus dem Haus gekommen bist. Was ist passiert?«
James rutschte unbehaglich herum. »Phillip denkt, dass ich Robbie nicht genug Aufmerksamkeit schenke. Er findet, dass ich ihn nicht wie einen Sohn behandle.« James spielte mit seinem Hut herum. »Es war eine recht hitzige Debatte.«
Collis nickte verständnisvoll. »Kennen wir alles.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter so ungefähr in Richtung von James’ Haus. »Du brauchst eine Frau.«
»Collis, du weißt, wie ich zu diesem Thema stehe -«
»Ha! Die ganze Welt weiß, wie du zu diesem Thema stehst. Sieh dir doch nur deinen Haushalt an. Er ist noch ein schlimmeres Mönchskloster als Etheridge House. Du hast doch bloß Denny und diese Sprotte von Schiffskoch. Und jetzt Robbie und Phillip. Willst du so etwas wie deine eigene Bruderschaft gründen?«
James zuckte die Achseln. Dass er seinen Entschluss, Frauen aus dem Weg zu gehen, nicht durch ein einziges Hausmädchen zu gefährden wagte, sagte eigentlich nicht viel über seine angebliche Selbstkasteiung, aber dennoch traf Collis’ Aussage zu. »Ich möchte einfach nicht über Frauen nachdenken, solange ich es irgendwie vermeiden kann. Über nichts von alldem. Nicht über raschelnde Röcke, nicht über ihren Duft, nicht, ob sie bei der Arbeit vor sich hinsummen. Ich halte es für besser, mich auf meine Ziele zu konzentrieren.«
»Du magst dir ja vielleicht die Mönchskutte übergezogen Haben, aber Phillip wohl kaum. Warum gestattest du mir nicht, ihn auf den Ball von Mrs. Blythe mitzunehmen? Da kann er seinen Spaß haben, bedingungslos. Die schönsten Frauen der Halbwelt werden da sein. Und eine von ihnen wird ihn bestimmt zum Mann machen.« Er spielte müßig an seiner Halsbinde herum. »Ich selber könnte auch einen ordentlichen Ritt gebrauchen. Diese gelangweilten Ehefrauen bei Hofe machen mir das Leben schwer. Alle schäkern sie, aber keine beißt wirklich an.« Dann grinste er. »Na ja, ein Paar von ihnen beißen schon auch.«
James schnaubte über Collis’ unverblümte Äußerungen. »Ganz der Gentleman, Col.« Sicher, ein wenig Befriedigung würde Phillips Ego und Selbstvertrauen stärken. Einen Mann aus ihm machen, wie Collis gesagt hatte. Und ihn aus
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