Die Schöne des Herrn (German Edition)
Brillantarmband brachte, aber auch ich war sehr nett denn ich habe ihm nicht gesagt dass ich Brillanten nicht mag, wirklich sehr nett aber er fasst mich ständig an und das geht mir auf die Nerven, im Augenblick bin ich so quicklebendig und später liege ich reglos in einer Kiste mit Erde über mir, in der man nicht atmen kann und erstickt, und da soll man an die Unsterblichkeit der Seele glauben, was nützen mir die vielen Pastoren in der Familie, angenommen ich hätte zehn kleine niedliche Koalas hier in meinem Zimmer die alle in ihren Körbchen schliefen die Pfötchen über der Brust gefaltet, mit ihren herzigen dicken Nasen, und vor dem Schlafengehen habe ich ihnen Eukalyptusblätter zum Abendbrot gegeben, ich kann die Augen nicht mehr offenhalten das ist das Veronal von gestern Nacht das noch wirkt ich habe zu viel genommen, ich sollte wenigstens meine hübschen weißen Satinschuhe ausziehen, nein egal, zu müde und zu schläfrig, ich kann sie ruhig anbehalten sie stören mich nicht, ach genug geschwatzt, gute Nacht Liebling und träum süß.«
III
Sie saß auf dem Bettrand und fröstelte in ihrem Abendkleid. Ein Verrückter, mit einem Verrückten in einem verschlossenen Zimmer, und der Verrückte hatte sich des Schlüssels bemächtigt. Um Hilfe rufen? Wozu, es war niemand im Haus. Jetzt sprach er nicht mehr. Mit dem Rücken zu ihr stand er nun vor dem Ankleidespiegel und betrachtete sich in seinem langen Mantel und seiner bis über die Ohren gezogenen Pelzmütze.
Sie erzitterte, als sie sah, dass er sie jetzt im Spiegel anblickte und ihr zulächelte, während er seinen entsetzlichen weißen Bart streichelte. Grauenhaft, dieses langsame nachdenkliche Streicheln. Grauenhaft, dieses zahnlose Lächeln. Nein, nur keine Angst haben. Er hatte ihr selbst gesagt, sie habe nichts zu befürchten, er wolle nur mit ihr sprechen, und dann würde er wieder gehen. Aber er war ja ein Verrückter, er könnte gefährlich werden. Plötzlich drehte er sich um, und sie spürte, dass er gleich etwas sagen würde. Ja, so tun, als hörte sie ihm interessiert zu.
»An einem schicksalhaften Abend im Ritz beim brasilianischen Empfang, zum ersten Mal gesehen und sofort geliebt«, sagte er und zeigte abermals sein schwarzes Lächeln, in dem zwei Eckzähne aufleuchteten. »Ich armer alter Mann auf diesem glanzvollen Empfang? Als Hotelangestellter nur, Hotelangestellter im Ritz, Getränke servierend für die Minister und Botschafter, das ganze Pack meiner Standesgenossen aus jener Zeit, in der ich noch jung und reich und mächtig war, der Zeit vor meinem Verfall und Elend. An jenem Abend im Ritz, jenem schicksalhaften Abend erschien sie mir, erschien mir distinguiert unter den Nichtswürdigen, gefährliche Schönheit, sie und ich allein in der Menge der Erfolgsmenschen und Machthungrigen, meiner ehemaligen Standesgenossen, wir beide allein im Exil, sie allein wie ich und wie ich traurig und voller Verachtung und mit niemandem sprechend, einzige Freundin ihrer selbst, und beim ersten Schlag ihrer Lider erkannte ich sie. Sie war es, die Unerwartete und Erwartete, sofort auserwählt an jenem Schicksalsabend, auserwählt beim ersten Schlag ihrer langgeschwungenen Wimpern. Sie, göttliches Buchara, glückliches Samarkand, Stickerei von erlesenem Muster. Sie, das sind Sie.«
Er hielt inne und blickte sie an, und wieder dieses leere, verworfene, greisenhafte Lächeln. Sie unterdrückte das Zittern ihres Beins und senkte die Augen, um das grässliche anbetende Lächeln nicht zu sehen. Ertragen, nichts sagen, Wohlwollen vortäuschen.
»Den anderen gelingt es erst nach Wochen und Monaten zu lieben, und sie lieben wenig, und sie brauchen dazu Gespräche und gemeinsame Neigungen und Kristallisationen. Ich brauchte nur die Dauer eines Lidschlags. Nennen Sie mich verrückt, aber glauben Sie mir. Ein Schlag ihrer Lider, und sie blickte mich an, ohne mich zu sehen, und es war die Herrlichkeit und der Frühling und die Sonne und das warme Meer und seine Transparenz am Ufer und meine wiedergekehrte Jugend, und die Welt war geboren, und ich wusste, dass niemand vor ihr, weder Adrienne noch Aude, noch Isolde, noch all die anderen aus der Zeit meines Glanzes und meiner Jugend mehr waren als ihre Vorboten und Dienerinnen. Ja, niemand vor ihr, niemand nach ihr, ich schwöre es bei dem heiligen Gesetz, das ich küsse, wenn es in der Synagoge feierlich an mir vorbeizieht, in Gold und Samt gekleidet, heilige Gebote des Gottes, an den ich nicht glaube, den ich
Weitere Kostenlose Bücher