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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Begegnung haben sie dich mit ihrem engelhaften und blauen Blick entkleidet, ohne dass du es merkst und ohne dass sie sich selbst dessen bewusst sind, denn sie gestehen sich ihre Blicke nicht ein. Alle ziehen dich in Sekundenschnelle aus, selbst die Jungfrauen. Mit ihrem geschulten Blick wissen sie sofort, wie du fleischmäßig unter deinen Kleidern beschaffen bist, ob du genügend Muskeln hast, eine breite Brust, einen flachen Bauch, schmale Hüften und kein Fett angesetzt hast. Denn wenn du Fett angesetzt hast, auch nur wenig, bist du verloren! Zwei oder drei unschuldige Pfunde Fett zu viel am Bauch, und du bist nicht mehr interessant, und sie wollen nichts mehr von dir wissen!
    Außerdem sind sie hartnäckige kleine Untersuchungsrichterinnen, glauben nur, was nachgewiesen ist, und kriegen es fertig, dich im Laufe einer gepflegten Plauderei voller Natur und Vögelchen mit harmloser Miene auszufragen, um herauszufinden, ob dein Körper sich zu kräftigen Bewegungen eignet, und zu erfahren, ob du das Leben im Freien und den Sport liebst. So schenkt das Weibchen des kleinen Insekts, das auf den schönen Namen Tanzfliege hört, dem Männchen nur Glauben, wenn es sich als sportlich erweist! Das arme Kerlchen muss sich abmühen, Kugeln auf seinem Rücken zu tragen, die, was weiß ich, dreimal so groß sind wie es selbst! Das ist authentisch! Und wenn sie hören, dass du reitest, auf Berge kletterst oder Wasserski läufst, ist das wie eine Garantie, und dann genießen sie dich, glücklich, weil sie sicher sind, dass du für den Kampf und die Fortpflanzung geeignet bist. Aber natürlich hüten sie sich, da sie ja eine erhabene Seele haben und aus dem gehobenen Bürgertum kommen, so niedrig zu denken. Sie übertünchen mit edlen Worten, und anstatt von flachem Bauch und tüchtigem Erzeuger zu reden, behaupten sie, du hättest Charme. Der Adel ist eine Sache des Vokabulars.
    Schrecklich. Denn diese Schönheit, die sie alle wollen, vor der ihre Lider zittern, diese männliche Schönheit, die für sie hoher Wuchs, harte Muskeln und scharfe Zähne bedeutet, was ist diese Schönheit anderes als der Beweis von Jugend und Gesundheit, das heißt von physischer Kraft, das heißt von jener Stärke, die sich im Kampf bestätigt, im Zufügen von Schaden, und deren Gipfel, Heiligung und letzter geheimer Ursprung die Macht zu töten ist, jene uralte Macht der Steinzeit, und es ist diese Macht, welche die zarten, gläubigen und spirituellen Geschöpfe unbewusst suchen. Daher ihre Leidenschaft für Karriereoffiziere. Kurz, um mir in Liebe zu verfallen, müssen sie in mir den möglichen Mörder spüren, der sie beschützen kann. Was? Sprechen Sie, ich gestatte es Ihnen.«
    »Warum erzählen Sie nicht einer alten Buckligen von Ihrer Liebe?«
    »Aha, sie spielt die Intelligente! Warum? Weil ich ein schreckliches Manntier bin! Dass die Behaarten Fleischfresser sind, akzeptiere ich! Aber sie, sie, an die ich glaube, sie, meine reinen Frauen, sie akzeptiere ich nicht! Sie mit ihren Blicken, ihren noblen Gesten, ihrer Scham, unaufhörlich entdecken zu müssen, dass sie Schönheit verlangen, um mir ihre Liebe zu schenken, das einzige göttliche Gefühl auf Erden, das ist meine Qual, und daran gehe ich zugrunde! Ich kann es nicht akzeptieren, denn es gelingt mir nicht, Achtung für sie zu empfinden. So bin ich, auf ewig Sohn der Frau. Ich schäme mich für sie, wenn sie mich anschauen, mich messen und mich abwägen, und wenn sie mit den Augen, ja, den Augen, meinen Panzer und seine Beschaffenheit beschnüffeln, ich schäme mich, wenn ich ihre plötzlich interessierten und ernsten Blicke sehe, mit denen sie respektvoll mein Fleisch betrachten, ich schäme mich für sie, wenn ich sie dabei überrasche, wie sie sich von meinem Lächeln bezaubern lassen, diesem bereits sichtbaren Stückchen meines Skeletts.
    Übrigens, die weibliche Schönheit zu bewundern ist durchaus verzeihlich, denn sie ist ein Versprechen von Zärtlichkeit, Empfindsamkeit, Mütterlichkeit. All diese lieben Mädchen, die ganz verrückt danach sind zu pflegen und die in Kriegszeiten mit brennenden Röcken angerannt kommen, um Krankenschwestern zu werden, das ist rührend, und ich habe das moralische Recht, diese Art von Fleisch zu lieben. Aber sie, die auf so schreckliche Weise von der männlichen Schönheit angezogen werden, die in ihren Augen physische Kraft, Mut, Aggressivität, kurz, animalische Tugenden verheißt! Nein, es gibt kein Pardon für sie!
    Ja, ich weiß, eine

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