Die Schöne des Herrn (German Edition)
Zahnbürste aus dem Mund. Es gibt Züge, die entgleisen, Verwundete, die unter den Radachsen stöhnen! Ohne sich den Mund auszuspülen, wandte sie sich an den Allmächtigen, den Mund voller Zahnpastaschaum.
»Herr, lasch morgen alle Tschüge entgleischen, mit Hunderten von Toten wenn Du dasch unbedingt scho willscht, aber heute bitte nicht, lieber lieber Gott«, fügte sie hinzu, um ihn zu besänftigen. Sie spülte sich den Mund aus und setzte ihr eigennütziges Gebet fort; aber sind nicht alle Gebete eigennützig? »Tu es für mich, lieber Gott«, flötete sie mit all ihrem weiblichen Charme. »Du weißt ja, wie sehr ich Dich liebe. Also bitte, lass mir diesen Abend, ja? Herr, beschütze den Zug meines Freundes«, schloss sie züchtig, denn diese Bezeichnung erschien ihr passender, wenn sie sich an den Ewigen wandte. Sie hob den Kopf und hielt sich die Nase zu, um sich eine Pastorenstimme zu geben. »Liebe Brüder und liebe Schwestern, jetzt werde ich ein Bad nehmen, in Gesellschaft meiner jungen und etwas üppigen Brust. Aber zuerst noch einmal, ob es euch gefällt oder nicht, einen kleinen Blick auf das Foto des Mannsbilds, aber nur fünf Sekunden, damit es den Reiz der Neuheit nicht verliert. So, sehr gut, nicht länger. Und jetzt noch mal sein heutiges Telegramm anschauen, das wird mir gut tun. Sehen wir mal, was er erzählt.«
Sie faltete das grüne Blatt auseinander und las laut und mit theatralischem Tonfall. Das herrliche Schlusswort überwältigte sie. O Freude, o Herrlichkeit und jauchzende Cherubine im Himmel unter den Flügeln der großen Engel mit ihren aufrauschenden Harfen, o herrlicher Mann! Er hatte einfach mit »Der Ihre« unterschrieben! »Der Ihre«, weiter nichts! Wie herrlich! Plötzlich runzelte sie die Stirn. Vielleicht hatte er dieses »Der Ihre« nur einfach so hingeschrieben, ohne sich etwas dabei zu denken, wie ein englischer Bankier sein
Yours
am Ende eines Briefs? Nein, nein und noch mal nein, es war bestimmt Absicht! Dieses Wort hatte seinen Sinn und bedeutete, dass er ihr gehörte, ihr ganz allein, ihr Besitz und ihr Eigentum.
»Der Ihre«,
murmelte sie und atmete tief ein. Jetzt das Bad, heißes Wasser einlaufen lassen.
»Los, beeil dich, du Dummkopf«, sagte sie zum Wasserhahn.
Auf den Schemel vor der Badewanne legte sie das Foto, das Telegramm, den Fahrplan, den kleinen Bären mit dem mexikanischen Hut und die Uhr ihres Vaters. Und da niemand da war, der sie hätte auslachen können, küsste sie das Telegramm und den Fahrplan. Und falls das den lieben Schwestern nicht gefiel, sollten sie eben wegschauen! Nachdem sie das Wasser geprüft und für genau richtig befunden hatte, löste sie die Krawatte der Ehrenlegion, ließ das Segelkleid zu Boden gleiten, stieg in die Wanne, streckte sich aus, seufzte vor Wohlbehagen und streckte einen Fuß aus dem Wasser, um die Zehen zu bewegen und sich vorzustellen, sie seien ihre fünf kleinen Buben, die aus der Schule nach Hause kämen. »Los, schnell, wascht euch«, befahl sie ihnen, und die fünf kleinen Buben verschwanden im Wasser. Anschließend machte sie Schwimmbewegungen, um sich wie im Meer zu fühlen. Dann schlug sie mit den Handflächen auf den Wannenboden, um Blasen zu erzeugen, die sie beim Aufsteigen zwischen den Schenkeln liebkosten. Und dann streckte sie wieder den Fuß aus dem Wasser, wackelte mit den Zehen und befahl ihnen, ruhig zu bleiben, artig ihr Bad zu nehmen und dann alle fünf schnell wieder in die Schule zu gehen, sich brav an den Händen haltend.
»Und wehe, wenn ihr keine guten Noten nach Hause bringt!«
Jetzt sich gründlich einseifen. Oder lieber nicht, nicht gleich, zuerst noch ein bisschen faulenzen, da ihr noch stundenlang Zeit blieb. Sie ruderte sanft, hielt die Hände flach auf dem grünen Wasser, wo Sonnentupfen flimmerten, und bewunderte diese hübschen kleinen Wellen, kleine Schwestern der echten Wellen des Meeres, in das sie bestimmt alle bald fließen würden. Dann erzählte sie sich zur Abwechslung, dass zwei goldige hellblaue Wellensittiche auf einem der Wasserhähne säßen, dem für das kalte Wasser, nicht auf dem anderen, der viel zu heiß war und an dem sie sich ihre kleinen Krallen hätten verbrühen können. Tschilp tschilp, ihr lieben Kleinen, fühlt ihr euch wohl, seid ihr glücklich? Ich ja, und so sehr, oh, wenn ihr wüsstet, wie sehr! Plötzlich ernst und das wunderbare Heraufziehen des heutigen Abends begrüßend, stimmte sie die Arie aus der Pfingstkantate an und schämte sich nicht,
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