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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Nacken zu beißen, denn wenigstens das hast du mit ihm nicht getan. Es ist übrigens das Einzige, worum ich dich von nun an bitten werde. (Sie biss sich auf die Lippe, um ein freudloses, nervöses Lachen zu unterdrücken.) Wie oft habt ihr miteinander geschlafen? Ich werde diese Frage bis morgen früh wiederholen, falls es nötig ist.«
    »Ich habe mich ihm nur einmal hingegeben.«
    Ihm hingegeben! Als er diese Worte hörte, zerdrückte er das Glas in seiner Hand, und Blut floss. Sie näherte sich und erbot sich, ihm die Wunde zu desinfizieren.
    »Zum Teufel mit deinem Desinfizieren! Warum nur einmal?«
    »Ich habe ihm erklärt, dass es unrecht sei.«
    Er brach in Gelächter aus. Die Lehrerin erklärt dem kleinen Jungen, das dürfe er nicht wieder tun, das sei ungezogen! Mit einem Mal unaussprechlich glücklich, steckte er sich zwei Zigaretten zwischen die Lippen, zündete sie an, rauchte mit kraftvollen und gesunden Zügen und ging auf und ab, von sich selbst begeistert. Dann blieb er vor ihr stehen, die beiden Zigaretten zwischen Zeige- und Mittelfinger, sah sie herausfordernd und fröhlich an, und ein Licht blitzte zwischen seinen Lippen auf.
    »Noch schwitzend, hast du es ihm erklärt.«
    »Nein, am nächsten Tag.«
    »Du bist zu ihm zurückgekehrt, du hast ihn geliebt, du hast beim ersten Mal dein Vergnügen gehabt oder, wie du so edel sagst, Freude empfunden, Froide, Froide empfunden, und hopp, auf einmal wolltest du nicht mehr! Übrigens einmal oder hundertmal, das ist das Gleiche! Hast du hundertmal mit ihm geschlafen?«
    »Nein, ich schwöre es!«
    »Fünfzig?«
    »Nein.«
    »Neunhundert?«
    »Nein.«
    »Fünfzehn?«
    »Mein Gott, ich habe doch nicht gezählt.«
    Er ließ sich entsetzt auf einen Sessel fallen und fuhr sich mit seiner blutenden Hand über die Stirn. Sie hatte nicht gezählt! Sie hatte es also oft mit ihm getrieben! Fünfzehnmal auf jeden Fall, mindestens fünfzehnmal!
    »Rede.«
    »Was soll ich denn sagen?«
    »Das, was ich von dir erwarte. Los, sag es!«
    »Nach diesem ersten Mal habe ich nichts mehr empfunden«, sagte sie nach einer Pause.
    Sie blickte zu Boden, fühlte sich besudelt und erniedrigt. Oh, jetzt würde er sie nicht mehr lieben. Er sah sie interessiert an. Empfunden! Was für Worte sie fand!
    »Warum?«
    »Warum was?«
    »Warum hast du nichts mehr empfunden, wo du doch beim ersten Mal etwas empfunden hast?«
    »Mein Gott, das weiß ich doch nicht! Ich habe einfach nichts empfunden.«
    »Und warum hast du trotzdem weitergemacht?«
    »Um ihn nicht zu kränken. Oh, lass mich in Ruhe«, stöhnte sie. Er spürte, dass sie die Wahrheit gesagt hatte, und sah sie verwundert an. Wirklich eine andere Rasse. Um ihn nicht zu kränken! Was Höflichkeit nicht alles vermag!
    »Warum kam er zu euch?«
    »Er kam nur in der ersten Zeit.«
    »Hat es dir bei ihm nicht genügt? Warum bei deinem Mann?«
    »Weil es mir Vergnügen machte, ihn zu sehen. Weil mein Mann langweilig war.«
    Sie hustete wie eine Schwindsüchtige, heftiger und länger als nötig. Und er verspürte einen stechenden Schmerz. Vergnügen, einen anderen Mann zu sehen! Das war schlimmer als der Beischlaf. Oh, wie sie am Fenster stand und diesen Dietsch erwartete!
    »Und wenn dein Mann den Salon verließ, habt ihr euch geküsst?«
    »Nein, niemals!«, rief sie, und wieder wusste er, dass sie die Wahrheit gesagt hatte.
    »Und warum?«
    »Weil es sich nicht gehört«, sagte sie schluchzend.
    Er wirbelte herum wie ein Derwisch, mit ausgebreiteten Armen und blutiger Stirn. Die Antwort war einfach zu schön. Nachdem er sich einige Male im Kreise gedreht hatte, ging er zur Wand, schlug mit der Stirn dagegen, drückte dann seine verletzte Hand auf die Tapete und zählte innerlich. Sechs blutige Hände. Mein Armer, wie du leidest, dachte sie. Oh, wenn er sie wenigstens seine Hand verbinden ließe. Ist die Wunde tief? Oh, und diese blutverschmierte Stirn. Ihr armer Liebling, all das wegen dieses Dietsch. Er drehte sich um, blickte traurig auf diese Frau eines anderen und ging hinaus.

XCVIII

    Er goss sich Eau de Cologne auf die verletzte Hand, fand die Schnittwunde schön und langweilte sich. Warum kam sie nicht, warum ließ sie ihn allein? Um sich zu beschäftigen, dachte er an seinen Tod, stellte sich im Sarg liegend vor, mit allen Einzelheiten, und verordnete dem kleinen Plüschbär verschiedene Posen, machte aus ihm einen Verliebten, der seine Liebe erklärt, dann einen Diktator, der eine Ansprache an die Massen hält. Als er ihn mit

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