Die schöne Diebin
hergegangen, als über die geplante Änderung der Wahlbezirke diskutiert wurde. Natürlich gibt es derzeit keine Mehrheit für die Reformen. Der Premierminister scheint allerdings zu hoffen, dass einer der Earls …“, er warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu, „… sich anders als der große Rest entscheidet und damit – sozusagen – das Ruder herumwirft.“
Beinahe hätte Brandon laut aufgelacht. Premierminister Grey glaubte also, er, Stockport, würde sich dafür einsetzen, dass die Mitglieder der Mittel- und Unterschicht größeren politischen Einfluss erhielten. The Cat hingegen war davon überzeugt, dass er nur an seinem finanziellen Vorteil interessiert war und niemals etwas tun würde, was der Unter- und Mittelschicht zugute kam.
„Lass uns jetzt nicht über Politik reden“, sagte er. „Erzähl mir lieber, was du über diesen Einbrecher in Erfahrung gebracht hast.“
„Du hast keine Lust auf eine politische Diskussion? Was ist los mit dir?“
„Was soll schon mit mir los sein? Ich muss Schwerpunkte setzen. Und jetzt möchte ich eben alles erfahren, was es über The Cat zu wissen gibt.“
„Ich habe natürlich in London gewisse Informationen eingeholt“, erklärte Jack. „Also: Dieser Einbrecher ist keineswegs so einzigartig, wie du zu glauben scheinst. Es gibt Berichte aus Birmingham, Leeds und Bradford, wo offenbar ebenfalls ein Dieb, der sich The Cat nannte, sein Unwesen getrieben hat. Auch dort hat er behauptet, gegen die Industrialisierung zu kämpfen und sich für die Ärmsten der Armen einzusetzen.“
„Glaubst du, dass es sich um mehrere Personen handelt, die zufällig denselben Namen gewählt haben?“
„Auf keinen Fall. Es sieht eher so aus, als sei ein und dieselbe Person an verschiedenen Orten aktiv gewesen. Die Einbrüche, von denen ich erfahren habe, sind nicht gleichzeitig ausgeübt worden. Meiner Meinung nach ist die Katze von Ort zu Ort gezogen.“
Brandon begann, nervös mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln. „Wie lange geht das schon so?“
„Etwa drei Jahre. Dabei beziehe ich mich allerdings nur auf die Verbrechen, die von jemandem, der sich The Cat nennt, begangen wurden. Durchaus möglich, dass derselbe Dieb vorher unter einem anderen Decknamen gearbeitet hat.“
„Könnten die Einbrüche etwas mit den Maschinenstürmern, den sogenannten Ludditen, zu tun haben?“ Er wusste, wie unwahrscheinlich das war. Die Ludditen-Bewegung war schon vor Jahren mit Hilfe des Militärs niedergeschlagen worden. Die Anführer hatte man hingerichtet. Wer von ihnen sollte also mit The Cat im Bunde sein?
Plötzlich überkam ihn eine große Niedergeschlagenheit. Es war schon schwierig genug gewesen, sich damit auseinanderzusetzen, dass er fasziniert von einer Gesetzesbrecherin war, von einer Frau, die die Reichen bestahl, um den Armen zu helfen. Noch schwieriger aber war es, sich einzugestehen, dass diese Frau nicht nur in Stockport-on-the-Medlock aktiv war, sondern offensichtlich schon seit Jahren ein verbrecherisches Leben führte.
Er rief sich in Erinnerung, wie es den Ludditen ergangen war. Sie hatten, um sich gegen die Industrialisierung zu wehren, gezielt Maschinen zerstört und sich regelrechte Schlachten mit dem Militär geliefert. Infolgedessen hatte man sie zu Schwerverbrechern und Staatsfeinden erklärt und ihren Untergang herbeigeführt. Würde The Cat ebenso weit gehen wie Ludds Anhänger, um ihre Ziele zu erreichen? Würde sie versuchen, den Bau der Fabrik aufzuhalten, indem sie Gebäudeteile oder Maschinen zerstörte?
„Ich habe eine Menge Informationen über die Ludditen eingeholt. Meiner Meinung nach ist es äußerst unwahrscheinlich, dass The Cat damals schon zu ihnen gehört hat. Die Prozesse liegen zwanzig Jahre zurück, und alle führenden Köpfe sind verurteilt worden.“
„Hm … Konntest du etwas über Eleanor Habersham in Erfahrung bringen?“
„Nein, rein gar nichts.“ Der Viscount runzelte die Stirn. „Ich verstehe sowieso nicht, warum du dich für die alte Jungfer interessierst. In welcher Beziehung sollte sie zu The Cat stehen?“
„The Cat könnte Miss Habersham erfunden haben, um sich hinter ihr zu verstecken.“
Wainsbridge verfügte über einen scharfen Verstand. So dauerte es nur wenige Sekunden, bis er begriff. „Das könnte nur funktionieren, wenn dieser Einbrecher eine Frau wäre!“
„Genau.“ Brandon nickte müde. „The Cat ist eine Frau.“
„Verflixt! Ich glaube, du hast mir einiges zu beichten.“
„Ja.
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