Die schöne Diebin
finanziellen und vermutlich auch für seinen gesellschaftlichen Ruin sowie für das leidenschaftliche und unerfüllte Begehren, das sie in Gestalt von The Cat in ihm geweckt hatte.
Unwillkürlich seufzte sie auf. Sie wusste, was er riskiert hatte. Für ein Mitglied der Aristokratie gehörte es sich nicht, als Unternehmer tätig zu werden. Zweifellos war er wegen seines Vorhabens, sich als Fabrikant zu betätigen, angegriffen worden. Wenn er nun scheiterte, würde man ihn zusätzlich verachten.
Früher hätte sie sich gesagt, dass manchmal ein Einzelner geopfert werden musste, damit es vielen besser ging. Jetzt war das kein Trost mehr. Sie seufzte erneut.
Die Uhr auf dem Kaminsims schlug zehn. Himmel, wie lange habe ich meine Zeit damit vergeudet, über Stockport nachzugrübeln? Sie trat zum Tisch und griff nach der Liste, in die sie eingetragen hatte, wann sie bei wem eingebrochen war. Wenn sie die Reihenfolge einhielt, würde St. John das nächste Opfer sein. Mittwochs, das wusste sie, war er immer mit seiner Gattin bei Squire Bradley zum Kartenspiel. Ein guter Termin, um in sein Haus einzudringen und sich ein paar wertvolle Kleinigkeiten zu besorgen.
Nora erwachte mitten in der Nacht. Sie war sofort hellwach. All die Jahre, die sie sich vor den Hütern des Gesetzes hatte in Acht nehmen müssen, hatten ihre Sinne geschärft. Sie spürte, dass etwas nicht in Ordnung war.
Sie bemühte sich, weiter gleichmäßig zu atmen, und zwang sich, die Augen geschlossen zu halten. Dabei lauschte sie angestrengt auf jedes Geräusch. Vielleicht war es nur das Rauschen des Windes gewesen, das sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Aber auf jeden Fall musste sie vorsichtig sein!
Als sie das nächste Mal Luft holte, nahm sie einen Geruch wahr, den sie unter Hunderten erkannt hätte: Stockport! Ja, das war eindeutig seine Seife! Der Earl war in ihr Schlafzimmer eingedrungen. Dieser Dummkopf!
Beinahe hätte sie laut aufgelacht. Vermutlich war er auf der Suche nach Beweisen, die eine Verbindung zwischen Eleanor Habersham und The Cat herstellten. Nun würde er zumindest wissen, dass die beiden im selben Haus schliefen. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie ein und dieselbe Person waren.
Da sie auf der Seite lag, war es ein Leichtes für sie, unbemerkt die Hand unter das Kopfkissen zu schieben und nach dem kleinen Dolch zu tasten, den sie dort versteckt hatte.
Der Duft nach Seife wurde stärker. Und Nora fragte sich, wie nahe Stockport ihr inzwischen gekommen war. Sie lauschte auf seine Atemzüge. Ah, jetzt hörte sie sie. Er stand hinter ihr, auf der anderen Seite des Betts.
Sie spannte die Muskeln an, rollte sich von ihm fort, und schon landete sie mit beiden Füßen auf dem Boden. Das Gesicht dem Eindringling zugewandt, hob sie drohend das Messer. „Halt!“ Über das Bett hinweg funkelte sie ihn an.
Überrascht wich er einen Schritt zurück.
Nora hatte gehofft, er würde stolpern, was ihr einen Vorteil verschafft hätte.
Nun, er stolperte nicht. Stattdessen sagte er in selbstgefälligem Ton: „Hallo, Katze! Oder sollte ich Sie lieber Eleanor nennen? Ich kann mich nur schwer entscheiden. Dieses Nachthemd gehört zweifellos der alten Jungfer. Aber was darin steckt, ist gewiss nicht die gute Miss Habersham.“
Im Mondlicht ließ er den Blick über ihren Körper wandern, bis sie vor Scham errötete. Zornig umklammerte sie den Dolch. „Was wollen Sie hier? Ein Gentleman dringt nicht unaufgefordert in das Schlafzimmer einer Dame ein!“
„Ich fand, es sei an der Zeit, Ihnen einen Gegenbesuch abzustatten. Sie haben sich mein Schlafzimmer mehrmals angeschaut. Nun wollte ich gern das Ihre kennenlernen.“ Er machte einen Schritt auf sie zu.
„Bleiben Sie stehen! Ich werde nicht zögern, das Messer zu gebrauchen!“ Himmel, wie groß er ist! Ihr war nie aufgefallen, dass er so einschüchternd wirken konnte.
„Ich habe nicht die Absicht, Ihnen ein Leid zuzufügen. Ich bin nur hier, um einen Beweis für meine Vermutungen zu finden.“ Er hatte die Lampe entdeckt, die auf dem Waschtisch stand, und entzündete den Docht. „Ah, schon besser!“
„Was wollen Sie tun, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben?“
Er lächelte. „Es gefällt mir, einmal nicht in der schwächeren Position zu sein.“ Er hielt die Lampe nun so, dass sie das Gesicht der schönen Diebin beleuchtete. „Ja, dieser Beweis … Ich wollte ihn eigentlich nur nutzen, um eine Abmachung mit Ihnen zu treffen.“
Noras Gedanken überschlugen sich. Wie sollte
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