Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
ausführlich den Inhalt des 1978er Kartons, wobei er nicht mehr wußte, ob er es ehrlich meinte oder ob er »die Leine schießen« ließ, um ihre Reaktionen zu beobachten. Aber Alexandra war ziemlich erschöpft und reagierte nicht einmal mehr. Sie sagte nur, daß sie ihren Großvater am kommenden Wochenende besuchen würde.
    »Ich rate Ihnen im Augenblick davon ab«, bemerkte Vandoosler.
    Alexandra runzelte die Stirn und streckte ihr Kinn vor.
    »Ist es schon so weit? Wollen die mich anklagen?« fragte sie leise, um Cyrille nicht zu beunruhigen.
    »Sagen wir, Leguennec ist schlecht auf Sie zu sprechen. Bewegen Sie sich nicht weg von hier. Gartenhaus, Schule, Tonneau, Park und nichts weiter.«
    Alexandra verzog das Gesicht. Marc dachte sich, daß sie es nicht schätzte, wenn man ihr Vorschriften erteilte, und er mußte kurz an ihren Großvater denken. Sie war in der Lage, das Gegenteil von dem zu tun, wozu Vandoosler sie aufforderte, nur weil es ihr Spaß machte, nicht zu gehorchen.
    Juliette kam, um den Tisch abzuräumen, und Marc umarmte sie. Er erzählte ihr in wenigen Worten von Dourdan. Er hatte den 78er Karton allmählich satt, der die Dinge nur komplizierter gemacht hatte, ohne eine einzige Frage zu klären. Alexandra zog Cyrille seine Jacke an, um ihn wieder in die Schule zu bringen, als Lucien völlig außer Atem das Tonneau betrat und die Tür zuknallte. Er nahm Alexandras Platz ein, schien nicht einmal zu bemerken, daß sie ging, und bestellte bei Mathias ein riesiges Glas Wein.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Marc zu Juliette. »Das ist der Krieg 14-18, der ihn so verändert. Das geht vorbei, kommt wieder, geht wieder vorbei. Alles eine Frage der Gewohnheit.«
    »Blödmann«, keuchte Lucien.
    An Luciens Ton erkannte Marc, daß er sich täuschte. Es war nicht der Erste Weltkrieg. Auf Luciens Gesicht lag nicht der glückliche Ausdruck, den die Entdeckung der Kriegstagebücher eines Bauernsoldaten hervorgerufen hätte. Er schien unbedingt etwas loswerden zu wollen und war schweißgebadet. Seine Krawatte hing schief, und zwei rote Flecken standen ihm auf der Stirn. Noch immer außer Atem, warf Lucien einen Blick auf die Gäste, die im Tonneau aßen, und forderte Vandoosler und Marc mit einer Handbewegung auf, näher zu rücken.
    »Heute morgen«, begann Lucien atemlos, »habe ich bei René de Frémonville angerufen. Er hat eine neue Nummer, deswegen bin ich direkt zu ihm gegangen.«
    Lucien nahm einen tiefen Schluck Rotwein, bevor er fortfuhr.
    »Seine Frau war da. R. de Frémonville ist eine Frau: Rachel, eine siebzigjährige Dame. Ich habe gefragt, ob ich ihren Mann sprechen könne. Was für ein Fettnapf. Halt dich fest, Marc, Frémonville ist bereits eine Ewigkeit tot.«
    »Na und?« fragte Marc.
    »Er ist ermordet worden, mein Lieber. Baff, zwei Kugeln ins Hirn, an einem Septemberabend des Jahres 1979. Es kommt noch besser: er war nicht allein. Er war mit seinem alten Kumpel Daniel Dompierre zusammen. Baff, ebenfalls zwei Kugeln. Abgeknallt, die beiden Kritiker.«
    »Scheiße«, sagte Marc.
    »Das kannst du laut sagen, denn meine Tagebücher sind bei dem darauffolgenden Umzug verschwunden. Der Frau von Frémonville waren sie ziemlich egal. Sie hat keine Ahnung mehr, wo sie hin sein könnten.«
    »War dein Soldat nun Bauer oder nicht?« fragte Marc.
    Lucien sah ihn erstaunt an.
    »Interessiert dich das auf einmal?«
    »Nein. Aber du hast mich angesteckt.«
    »Na bitte«, sagte Lucien und wurde wieder lebendig. »Ja, er war Bauer! Siehst du? Ist das nicht ein Wunder? Wenn bloß...«
    »Laß jetzt deine Tagebücher«, befahl Vandoosler. »Erzähl weiter. Es muß doch Ermittlungen gegeben haben, oder?«
    »Natürlich«, antwortete Lucien. »Das war am schwersten rauszukriegen. Rachel de Frémonville ist ausgewichen und wollte nicht darüber reden. Aber ich war sehr geschickt und überzeugend. Frémonville versorgte die Pariser Theaterszene mit Kokain. Sein Kumpel Dompierre zweifellos auch. Die Bullen haben bei Frémonville unter dem Parkett eine Ladung gefunden, da, wo die beiden Kritiker erschossen wurden. Die Ermittler schlossen auf eine Abrechnung unter rivalisierenden Dealern. Was Frémonville anging, war die Sache offenkundig, die Beweise gegen Dompierre waren jedoch ziemlich kümmerlich. Bei ihm haben die Bullen nur ein paar Tütchen Koks hinter einer Kaminplatte gefunden.«
    Lucien leerte sein Glas und bestellte bei Mathias ein weiteres. Statt dessen brachte ihm Mathias ein

Weitere Kostenlose Bücher