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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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wohnte. Sobald er nach London reiste, würde sie wieder ihre kostbare Einsamkeit genießen. Bis dahin musste sie sich mit seiner aufdringlichen Anwesenheit abfinden.
    Und sie brauchte tatsächlich neue Kleider. Welch eine grässliche Belastung dieser Mann war ...
    Trotzdem wartete sie den ganzen Nachmittag auf seine Rückkehr.

6. Kapitel
    Abgesehen von der Kälte fand Adam auch das Terrain in Northumberland höchst unangenehm. Seinem Pferd - diesem verwöhnten Biest, das sich nach den zivilisierten Straßen der Stadt sehnte - missfielen die holprigen Wege, und es brachte seinen Unmut deutlich zum Ausdruck. Als sie zu einem umgestürzten Baumstamm kamen, weigerte sich der Wallach, darüberzuspringen. Am Ufer eines Bachs verdrehte er angewidert die Augen. Natürlich würde er niemals einen Huf in dieses Wasser setzen.
    In ähnlicher Stimmung wie das mürrische Pferd, seufzte Adam resignierend, ritt eine Zeit lang am Ufer entlang und ließ seine Gedanken wandern.
    Er musste Pläne schmieden, mehrere Dinge erledigen. Am nächsten Tag wollte er einige Briefe abschicken - einen an seine Freunde, um sie über seinen zweimonatigen Aufenthalt in Northumberland und die bevorstehende Hochzeit zu informieren. Grinsend malte er sich ihre Verblüffung aus. Auf seinen Erfolg oder Misserfolg waren zahlreiche Wetten abgeschlossen worden. Wie gern würde er die Gesichter der Unheilspropheten beobachten, wenn sie sich genötigt sahen, die nicht unerheblichen Summen zu zahlen ...
    Zwei Briefe würde er seinen Anwälten schreiben. Mr Fenton war der alte Anwalt seines Vaters, dessen Schulden er mit den fünftausend Pfund, von Adam zur Verfügung gestellt, begleichen sollte. Unglücklicherweise waren die Bemühungen des Sohnes fehlgeschlagen, das Geld mittels diverser Wetten aufzutreiben.
    Den anderen Anwalt, Mr Darby, hatte Adam erst kurz vor seiner Abreise aus London engagiert. In der Hoffnung auf das Rathford-Vermögen, hatte er Darby beauftragt, alle künftigen finanziellen Transaktionen abzuwickeln. Die geschäftlichen Beziehungen mit Fenton würde er abbrechen und ein unerfreuliches Kapitel seines Lebens abschließen. Jetzt war er ein reicher Mann, und alle Probleme gehörten der Vergangenheit an.
    Auch Tina Bentford würde einen Brief erhalten und erfahren, die Liaison müsse wegen seiner Heirat beendet werden. Das beabsichtigte er schon ziemlich lange. Als Freundin war Tina sehr amüsant und einfallsreich. Immer wieder brachte sie ihn zum Lachen, überraschte ihn mit originellen Ideen und forderte ihn zu ungeheuerlichen Abenteuern heraus. Aber als Geliebte enttäuschte sie ihn. Natürlich versuchte sie ihn im Bett zu befriedigen und tat ihr Bestes. Leider war sie nicht besonders erfinderisch oder aufregend.
    Also musste diese Beziehung ebenfalls ein Ende finden. Zweifellos würde Tina ihm grollen, denn eine Ehe stellte kein Hindernis für eine Liebschaft dar. Aber bis er nach London zurückkehrte, würde sie sich beruhigt haben und ihm die üblichen widerwärtigen Szenen ersparen.
    Bei der Erinnerung an diese unangenehmen Szenen dachte er an seine Verlobte. Lächelnd lenkte er den Wallach die Uferböschung hinauf und trat den Rückweg an. Warum er so albern grinste, als Helena Rathfords Bild vor seinem geistigen Auge erschien, verstand er nicht. Zweifellos war sie eine lästige, rätselhafte, rebellische Person. Sie steckte voller Widersprüche. Eben noch kalt wie Eis, im nächsten Moment eine wütende Furie - und als würde das noch nicht genügen, unablässig von jener verfluchten mysteriösen Aura umgeben, die allmählich an seinen Nerven zerrte.
    Aber verdammt noch mal - ihre Augen konnten geradewegs durch einen Mann hindurchschauen und irgendetwas in seiner Seele berühren. Unsinn ... Adam lachte über sich selbst. Was er empfand, war reine Lust, falls ihn diese magere Person tatsächlich reizte. Ein paar Sekunden lang verglich er sie mit der üppig gebauten Tina, dann vergaß er seine ehemalige Geliebte und konzentrierte sich nur noch auf Helenas Eigenschaften.
    Mit ihrem eleganten Schwanenhals besaß sie eine unglaubliche Anmut. Ihre distanzierte Haltung forderte ihn gnadenlos heraus und drängte ihn zu ergründen, welche Emotionen sich hinter der frostigen Fassade versteckten. Dass sie eine geheimnisvolle Leidenschaft in ihrem Herzen verbarg, wusste er, seit er ihr faszinierendes Klavierspiel gehört hatte.
    Darüber dachte er immer noch nach, als das Haus in seinem Blickfeld auftauchte. Die Mittagszeit war längst vorbei.

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