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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A MCCABE
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Fußende des Bettes …
    Natürlich! Sie befand sich in ihrem Landhaus, in ihrer eigenen Schlafkammer. Doch nicht wie sie die Kammer vor wenigen Tagen verlassen hatte. Sie war allein. Ohne Marcos an ihrer Seite. Allein in dem Bett, in dem sie sich so leidenschaftlich vereinigt hatten.
    Plötzlich konnte sie sich erinnern. Schmerzliche Bilder stürzten über sie herein. Das Fest, auf dem sich trotz all ihrer Zweifel und unausgesprochenen Ängste ihre aberwitzigen Pläne zu erfüllen schienen. Dann das Verhängnis. Menschen stürzten sich auf sie, Aufschreie, Befehle, Weinen – ein Albtraum. Der Ring. Der blaugraue Kratzer an Ermanos Hand. Marcos. So weit weg von ihr. Eine Ewigkeit entfernt.
    Julietta presste sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien, als ihr plötzlich der Ernst ihrer Situation bewusst wurde. Wieder spürte sie den schmerzhaften, fast unmenschlichen Griff, mit dem Ermano ihre Hand umklammert hatte, spürte, wie seine krankhaften Gefühle in sie strömten. Er hatte sie aus dem Saal gezerrt und ihren lauten Protest mit einem Seidenschal unterdrückt. Weder ihre Stimme noch ihren erbitterten Kampf schien in jenem barbarischen Durcheinander, das über den prunkvollen Palast hereingebrochen war, überhaupt irgendjemand gehört oder gesehen zu haben. Ein jeder war wohl mit sich selbst beschäftigt gewesen.
    Sie fasste sich an den Nacken, fühlte am Haaransatz eine Beule und klebrige, vom Blut verfilzte Haare. Sie erinnerte sich an den Kampf mit Ermano, wie sie sich gewehrt und geschrien hatte, und dann … war es dunkel um sie geworden. Danach musste er sie wohl hierher, in ihr eigenes Haus, gebracht haben. Weit weg von der Stadt, weit weg von jedem, der nach ihr suchen könnte.
    Vorsichtig und langsam rutschte Julietta auf die Bettkante. Ihr Körper gehorchte ihr kaum, aber sie ließ nicht nach. Sie durfte nicht untätig hier im Bett liegen bleiben und auf das harren, was Ermano mit ihr plante. Einfach so auf ihren Tod warten wollte sie nicht. Sie wollte ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.
    Langsam glitt sie von der hohen Matratze, bis ihre Zehenspitzen den unebenen Holzfußboden berührten. Ihre Schuhe hatte sie verloren, und die Strümpfe waren löchrig und schmutzig.
    Das ganze Kostüm war in Unordnung, die Bänder aufgerollt oder zerfetzt, die weißen Ärmel mit Dreck verschmiert, und der rote Rock, der steif von dem getrockneten Schweineblut war, hatte einen langen Riss. Immerhin war sie noch vollständig bekleidet. Sie konnte auch keinerlei Anzeichen erkennen, dass Ermano sie in ihrer Ohnmacht überfallen hätte, um jenen Sohn, von dem er immer träumte, zu bekommen.
    Sie hielt sich am Bettpfosten fest und richtete sich auf. Sie hatte das Gefühl, in einen Wirbelsturm geraten zu sein. Alles um sie herum drehte sich. Der Schlag auf den Kopf musste ihr doch mehr zugesetzt haben, als sie zunächst vermutet hatte. Was würde sie jetzt für einen Heiltrunk ihrer Großmutter geben.
    Nach einer Weile fühlte Julietta sich sicher genug, einen Schritt zu versuchen. In der Kammer war es ohne das wärmende Feuer kalt, aber die Kühle half ihr auch, einen klaren Kopf zu bekommen. Langsam ging sie zum Fenster und schob den Laden ein wenig weiter auf. Falls Ermano oder einer seiner Männer auf der Lauer lagen, dann mussten sie nicht unbedingt wissen, dass sie wach war. Doch dort unten sah sie niemanden. Die Wege und die schattigen Haine lagen still und verlassen, nicht einmal ein Vogel zwitscherte. Die Sonne stand als hellrosa Ball über dem Horizont – etwa eine Stunde vor ihrem Untergang.
    Ermano war nirgends zu sehen. Aber Paolo und Rosa? Wo war das Verwalterehepaar? Hoffentlich hatte man sie nur aus ihrem Haus vertrieben und ihnen kein trauriges Ende bereitet. Julietta überlegte. Was hatte Ermano mit ihr vor?
    Plötzlich wurde ihre speiübel. In letzter Sekunde erreichte sie die Waschschüssel, in die sie ihren kümmerlichen Mageninhalt entleeren konnte. Als die Übelkeit nachließ, ging es ihr nicht nur körperlich besser, sondern auch ihre Gefühlslage beruhigte sich allmählich. Auf der Truhe stand noch eine halbe Kanne Wein, der von ihrer Nacht mit Marcos übrig geblieben war. Nachdem sie sich mit dem sauren Rest den Mund ausgespült hatte, verspürte sie Hunger. Ein Jammer, dass sie kein Brot oder ein paar Äpfel in der Truhe gelagert hatte.
    Dann musste Julietta über sich selbst und ihre absonderlichen Gedanken lachen. Wie hätte sie jemals ahnen können, hier von einem Irren

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