Die schöne Parfümhändlerin
Hunger.“ Mochte er auch wahnsinnig sein. Sie hatte sich noch nie von Ermano einschüchtern lassen. Warum also jetzt? „Wo sind die Verwalter?“
„Wir sind allein hier, bella Julietta.“ Langsam betrat er die Kammer und stellte den Kerzenhalter auf den Kaminsims. Das Kerzenlicht verschmolz mit dem feurigen Sonnenuntergang und überzog die Kammer bis hinein in den letzten schattigen Winkel mit einem unwirklichen goldenen Glühen. Die Liebesnacht mit Marcos in dieser Kammer schien so unendlich weit weg. In diesem Haus fand nun ein Albtraum statt.
Ermano fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Als er sich zu ihr umdrehte, war sein Gesicht müde und traurig. „Oh Julietta. Warum habt Ihr mich dazu gebracht, das zu tun? Warum habt Ihr uns in diese Lage gebracht? Alles habe ich Euch geboten, Reichtum, Juwelen, einen ehrenhaften Platz in der Gesellschaft, die Mutter meiner Kinder zu sein. Die Frau, die mir die Tarockkarten gelesen hat, hat mir gesagt, das sei unser Schicksal. Warum habt Ihr alles verschmäht und stattdessen das hier gewählt?“
Julietta biss sich auf die Lippen. Wieder und wieder hatte sie Ermano zurückgewiesen. Mit unmissverständlichen Worten hatte sie alles abgelehnt, hatte ihm ihre Besitztümer und ihren Körper verweigert. Aber mit einem Wahnsinnigen war nicht zu streiten. „Ich liebe einen anderen“, sagte sie deshalb noch einmal klar und deutlich.
Ermanos graues Gesicht lief rot an. „Marcos Velazquez? Was kann der Euch schon geben? Nichts! Meine Kreatur, mein Spitzel ist er. Er ist ein Nichts.“
„Marcos ist nicht Eure Kreatur“, erwiderte Julietta ruhig. Aber ihre Gelassenheit schien ihn nur noch mehr zu ärgern. Er ballte die Hände zu Fäusten. Seine Schultern bogen sich nach vorn, als wolle er ihr an den Hals springen.
Julietta reagierte nicht. Sie empfand nichts, keine Furcht, kein Mitleid. Einfach nichts. „Er hat Euch nur benutzt. So wie Ihr ihn benutzt habt.“
„Eine Lüge!“, brüllte Ermano. „Er, ein Schiffskapitän? Wie hätte er mich benutzen können?“
Julietta wandte sich ab. Sie dachte an Marcos’ Geschichte. Ermano widerte sie an. Seine Verderbtheit und Niedertracht konnte sie nicht mehr ertragen. Starke Söhne wünschte er sich. Nachkommen, harte, gewissenlose Burschen, klug und beliebt sollten sie sein. Wirklich? Er hatte mehr bekommen, als er je erwartet hatte. Wahrlich eine Laune des Schicksals. Ihr wurde ganz übel, wenn sie daran dachte.
Sie sah ihren Widersacher wieder an. „Marcos Velazquez ist viel mehr wert als Ihr. Ihmk önnt Ihr nicht das Wasser reichen.“ Unmissverständlich richtete sie ihren Blick auf seine Hose. „In jeder Beziehung.“
Mit einem tiefen, wilden Knurren hechtete Ermano quer durch den Raum und packte Julietta. Er zerrte sie vom Bett und zog sie brutal hoch, als sie nicht sofort auf den schwachen Beinen stehen konnte.
„Er ist so gut wie tot“, fauchte Ermano. Sein Atem stank. „Und Ihr gehört mir. So haben es die Tarockkarten vorausgesagt.“
„Karten können immer lügen. Das wisst Ihr doch“, antwortete Julietta. Sie drehte und wand sich, um sich aus seinem festen Griff zu befreien. „Oder die Person, die die Karten liest, lügt. Ich jedenfalls gehöre niemandem. Euch, Ermano Grattiano, schon gar nicht. Ihr seid abstoßend, ein Wurm in den Kanälen Venedigs, ein Frauenmörder …“
„Haltet den Mund, Hure!“, schrie er und versetzte ihr einen so kräftigen Hieb ins Gesicht, dass Juliettas Kopf nach hinten schlug. Einige Momente lang sah sie Sterne in allen Farben und bekam keine Luft mehr. Sie wäre zu Boden getaumelt, hätte Ermano sie nicht so eisern festgehalten.
Benommen starrte sie Ermano an. Speichel glänzte an seinem Mundwinkel, die Lippen waren blass und aufgesprungen, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Als er sich über sie beugte, stieg ihr ein leichter bittersüßer Geruch in die Nase. Das gab ihr Gewissheit. Das Gift tat seine Wirkung.
Mit zusammengekniffenen Augen sah Ermano sie an. Plötzlich war er ganz still, fast gefährlich still. Seine Finger krallte er so tief in ihren Arm, dass sie schon glaubte, die blauen Flecken entstehen zu sehen. „Ja. Ja, nun erkennt Ihr Eure niederträchtige Tat.“
„Ihr seid verloren, Ermano!“, antwortete Julietta sachlich. „Weshalb habt Ihr Euch eigentlich noch die Mühe gemacht, mich hierherzubringen?“
„Ihr werdet mich retten. Jetzt! Sofort!“, schrie er verzweifelt.
Julietta schüttelte den Kopf. „Haben die Karten Euch das
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