Die schöne Parfümhändlerin
Satin des Wamses zerriss. „Doch Eure öffentliche Erniedrigung, die Enthüllung all Eurer Missetaten und Sünden vor den Augen der Welt, verläuft nicht so, wie ich es geplant hatte. Eure Gier hat Euch letztendlich zugrunde gerichtet. Euer Plan, mich durch die Frau, die ich liebe, zu vernichten, ist Euch nicht gelungen. Ich bin ein Ehrenmann und werde Euch töten müssen, weil ich es vor langer Zeit meiner Mutter gelobt habe.“
„Renato! Wie könnt Ihr so etwas sagen?“, ächzte Ermano. „Hätte ich gewusst, dass Ihr mein Sohn seid …“
Doch Marcos trat zurück. Elegant schwang er das Schwert, die Klinge blitzte auf. „ En garde!“
Ermano sah ihn erschrocken an. Er erstarrte vor Furcht, als er Marcos’ kalten, entschlossenen Blick und das ruhig gehaltene Schwert erblickte und wohl endlich begriff, dass sein Sohn es wirklich ernst meinte. Es war der letzte Akt eines Schauspiels, dessen Beginn und Entwicklung er nicht einmal mitbekommen hatte. Außerdem wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte, wenn er nicht die Fäden der Handlung selbst in der Hand hielt. „Aha … Ihr kommt also doch nach Eurer Mutter. Auch Ihr lehnt alles ab, was ich Euch zu bieten habe.“
Julietta zitterte, gebannt und erschrocken zugleich beobachtete sie die beiden. Sie konnte nicht eingreifen, nur zusehen und abwarten, auch wenn die Spannung unerträglich war. Denn es war Marcos’ Rache, sein Schicksal. Sie durfte sich nicht einmischen, obwohl Tatenlosigkeit bislang nie ihre Sache gewesen war. Deshalb drückte sich Julietta nun tiefer in ihre Ecke und beobachtete Ermano, der schließlich den Ernst seiner Lage zu erkennen schien.
Da stand der Sohn, von dem Ermano immer geträumt hatte, ein Krieger, ohne Erbarmen und stark, ein Mann, den alle Welt bewunderte. Doch sein Traumsohn war zugleich auch sein Untergang – es sei denn, es gelänge ihm, diesen Sohn zuerst zu töten. Ermano zückte sein Schwert, schwerfällig bewegte er die Waffe. Marcos erwiderte den unbeholfenen Schlag mit elegantem Hieb, mit metallischem Geklirr trieb er den alten Mann zurück.
Doch Ermano erholte sich bald, jahrelange Erfahrung rettete ihn vor einem schnellen Ende. Mit einigen kräftigen Hieben löste er sich von der Wand. Marcos parierte und sprang gewandt von einer Seite zur anderen.
Ermano knurrte, grimmig schwang er das Schwert mit beiden Händen. Aber Marcos war flink und leichtfüßig wie der Löwe, der ihm den Namen gab. Diese Beweglichkeit besaß Ermano nicht mehr, dafür aber hatte er einen massigen Körper und wenig zu verlieren. Seine Angriffe waren verzweifelt, wie ein Bär in der Falle kämpfte er, rücksichtslos schlug er auf den Feind ein, auf den Sohn, der wie Julietta alle seine Reichtümer ablehnte. Ermano drängte, Wut und das Gift in seinen Adern trieben ihn an, unablässig folgte er Marcos, der alle seine Schläge lässig parierte. Wütend heulte der Conte auf, als Marcos’ Klinge ihn an der Schulter traf. Aber noch gab er sich nicht geschlagen. Julietta bemerkte, wie Marcos’ Bewegungen etwas schwerfälliger wurden, seine Kräfte allmählich schwanden. Für alle war es ein langer Tag und eine lange Nacht gewesen. Zudem hatte Marcos noch nach Julietta gesucht.
Hilf ihm, schrie ihr Inneres. Sie durfte sich nicht wie ein verschrecktes Vögelchen in der Ecke verkriechen, nicht nachdem sie so hart für ihre Liebe gekämpft und ihr gemeinsames Leben geplant hatten. So durften und konnten ihre Pläne nicht enden.
Niemand kam ihnen zu Hilfe. Keine Armee von Kriegern kam. Sie waren allein. Aber zusammen waren sie stark.
Verzweifelt versuchte Julietta ihre Verwirrung und ihre Angst abzuschütteln. Das Licht im Raum war schummerig, die Kerzen waren weit heruntergebrannt, und durch die verschlossenen Fenster drang nur schwach das Mondlicht herein. Das Klirren der Schwerter, das Ächzen und Rufen drangen in jeden Winkel, die Luft war erfüllt vom Schweiß- und Blutgeruch … und von noch etwas. Heiß stiegen ihr scharfe Dämpfe in die Nase.
In dem Kessel auf dem Arbeitstisch brodelte und sprudelte es. Fast kochte das Gebräu über den schwarzen Kesselrand.
Julietta drehte sich um. Nahe der Tür waren Marcos und Ermano immer noch in ihren erbitterten Kampf verwickelt. Marcos war verletzt. Er hatte eine Schnittwunde am Schenkel. Die schwarze Hose war blutdurchtränkt. Dennoch kämpfte er immer noch voller Wut. Ermanos Klinge krachte schwerfällig gegen Marcos’ Schwert, Marcos parierte mit lautem Klang. Doch Julietta bemerkte,
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