Die schöne Parfümhändlerin
in denen sie an ihn denken konnte, in denen vorsichtige Neugier ganz allmählich zu Sehnen und Begehren erblühen sollte. Und für ihn selbst zwei Tage, an sie zu denken, sich auszumalen, was er sich von ihr erträumte. Zwei sehr lange Tage.
In der Zwischenzeit galt es Wichtiges zu erledigen. Er trat an den Rand des Kanals und winkte eine Gondel herbei.
Julietta saß aufrecht im Bett und rang nach Luft. Trotz der dicken Bettdecke und des Feuers, das noch im Kamin glühte, war ihr eiskalt. Zitternd fuhr sie sich mit der Hand übers Gesicht und versuchte kopfschüttelnd ihre Träume zu verscheuchen. Es nützte nichts. Das Gefühl, dass irgendjemand sie beobachtete, blieb. Ihr war, als blickte jemand tief in ihre Seele und als kämen all ihre wohlgehüteten Geheimnisse kämen ans Licht.
Sie zündete die Kerze an, die neben ihr auf dem Nachttisch stand. Die flackernde gelb-orange Flamme warf ihr Licht bis in die hinterste Ecke der kleinen Schlafkammer. Natürlich saßen da keine heimtückischen Dämonen, die nach ihrer Seele greifen wollten. Sie war allein, wie immer. Nur Stapel von Büchern häuften sich auf jedem Tisch und jedem Stuhl, ein paar schwarz-weiß gestreifte Kleidungsstücke lagen unordentlich herum, und ein halb geleertes Weinglas stand da.
„Bloß ein Traum“, flüsterte sie. Ein Traum, an den sie sich nicht einmal richtig erinnern konnte. Bunte Farbfetzen … und … ein durchdringendes türkises Augenpaar …
Julietta schlug die Bettdecke zur Seite und setzte sich auf die Bettkante. Als ihre nackten Füße den kalten Holzboden berührten, stöhnte sie leise auf. Den pelzbesetzten Umhang, der am Fußende lag, ließ sie liegen und trippelte in ihrem Leinenhemd zum Fenster. Die Kälte tat ihr gut. Sie brachte sie zurück in die Wirklichkeit, verscheuchte alle bösen Träume.
In der sternenklaren Nacht hing der Mond wie eine gelblich glänzende Sichel hoch am schwarzen Firmament. Bis zum Tagesanbruch waren es noch Stunden. Stunden, bis die Sonne und des Tages Arbeit sie von ihren trüben Gedanken ablenken würden. Während der Nacht erschien ihr alles noch viel erdrückender, weder der Zukunft noch der Vergangenheit konnte sie in diesen einsamen Stunden entrinnen.
Zu Venedig gehörten die Geheimnisse der Nacht. Dunkelheit, stille Wasser, düstere Durchgänge, die so vieles versprachen. All das machte die Nächte so verführerisch, lockte sie heraus aus der Sicherheit ihres so sorgfältig aufgebauten Lügengebäudes. „Komm“, wisperte das Wasser. „Komm, du weißt doch, dass du zu uns gehörst. Komm, wir werden dir unbekannte Freuden zeigen. Wir erfüllen all deine Wünsche. Komm, ergib dich deinem Schicksal.“
Sich ihrem Schicksal ergeben. Nie und nimmer. Julietta war dazu bestimmt, allein zu leben, immer gegen ihre eigenen Schatten zu kämpfen. Doch in Nächten wie diesen …
In Nächten wie diesen schienen sich in den engen Gassen der Stadt Liebe und Tod, Eros und Thanatos zu vereinigen und erweckten auch in ihr Lust und Leidenschaft. Julietta liebte Venedig. In der Nacht war die Stadt genau wie sie, keiner von beiden zeigte sein wahres Gesicht.
Sie drückte ihre Stirn gegen das kühle Fensterglas, schaute hinunter auf den leeren Platz und dachte an den Mann, der am Morgen in ihrem Laden gewesen war. Il leone. Marcos Antonio Velazquez. Ein gefährlicher Mann. Das war ihr in dem Moment bewusst geworden, als er ihre Hand genommen hatte und ihr Fleisch unter seiner Berührung erwacht war.
Achselzuckend schob Julietta ihren schweren Zopf von der Schulter und öffnete das Fenster. Sie schloss die Augen und genoss den kalten Luftzug, der ihr über das Gesicht, den Hals hinunter in den tiefen Ausschnitt ihres dünnen Gewandes und über die Brüste strich. Einen Moment lang glaubte sie, sei ne Hand zu spüren, die über ihre nackte Haut strich. Raue, schwielige Seemannsfinger glitten über ihre Schultern, zeichneten eine Feuerspur tiefer und tiefer, sein Atem, kühl und verführerisch, ließ sie erzittern in verzückter Erwartung …
Madre di dio! Julietta riss die Augen auf. Erschrocken blickte sie hinunter auf den Platz. Er war menschenleer. Nur aus der Ferne klangen Lachen und Musik einer fröhlichen Gesellschaft herüber. Kein türkisäugiger Zauberer beobachtete sie. Keine zärtliche Hand streckte sich nach ihr aus.
Das war gefährlich. Vor langer Zeit, als sie noch jung und närrisch gewesen war, da hatte sie ihren Gatten für anziehend und bezaubernd gehalten, hatte sich eingebildet, ihn
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