Die schöne Parfümhändlerin
musste ihr Wissen nutzen, um anderen Frauen zu helfen. Frauen wie Cosima Landucci – Frauen wie sie selbst. Nicht einmal die Angst vor dem Scheiterhaufen konnte Julietta davon abhalten.
Auch nicht die türkisfarbenen Augen des Zauberers konnten sie von ihrem Vorhaben abbringen. Es war beschlossen und musste getan werden.
5. KAPITEL
„Madonna!“, hallte Biancas Stimme durch den mit Kisten und Kästen gefüllten Lagerraum. Julietta, die in jeder Hand einen Ölkrug hielt, stolperte erschrocken zurück und hätte sich dabei beinahe den Kopf an der Kiste gestoßen, die sie gerade auspackte. Sie war dabei, die neuen Wareneingänge für ihren Laden zu sortieren und zu zählen. Doch eigentlich war sie mit ihren Gedanken woanders. Ständig musste sie an das Gebräu denken, das in ihrer Geheimkammer leise vor sich hin blubberte.
Sie versuchte, nicht an Il leone zu denken.
„Was ist denn, Bianca?“, fragte sie, während sie die Ölkrüge behutsam zurück in ihre gepolsterten Futterale stellte. „Brauchst du meine Hilfe im Laden?“
Bianca schloss eilig die Tür hinter sich und lehnte sich gegen das Türblatt. „Er ist hier“, rief sie atemlos und kicherte.
Julietta verstand sofort und wandte sich ab, um vor der Dienerin ihre plötzlich in die Wangen schießende Röte zu verbergen. Sie blätterte durch die Inventarliste, die neben ihr auf dem Boden lag, um sich zu beruhigen. Sie wusste, wenn sie sich jetzt nicht sofort zusammennahm, würde sie genauso albern loskichern wie ihre närrische Dienerin.
Er kam aus rein geschäftlichen Gründen. Sonst nichts.
„Signor Velazquez?“, fragte sie.
„ Sì, Madonna. Heute sieht er noch aufregender aus als beim ersten Mal.“
„Gut, Bianca. Das Parfüm, das er bestellt hat, steht hinter dem Ladentisch – in dem violetten Flakon. Du kannst es dem aufregenden Signore einpacken.“ Das hielt sie für die richtige Taktik: den Mann fortschicken, ohne ihn zu sehen.
Doch so einfach war das Leben eben nun mal nicht. „Oh nein, Madonna . Er hat extra darum gebeten, Euch zu sprechen.“
Darum gebeten, sie zu sprechen? Wirklich? Weshalb wohl?
Gerne hätte Julietta länger darüber nachgedacht, doch das musste nun warten. Nachdenken konnte sie später, wenn sie allein in ihrer Kammer war. Im Moment galt es, sich um das Geschäft zu kümmern. Schließlich handelte es sich um einen sehr wichtigen Kunden.
Ein wichtiger Kunde, der ausdrücklich sie zu sehen wünschte.
Julietta stand auf, legte die Schürze ab und bürstete den Lagerraumstaub von ihrem schwarzen Rock. Sie gab sich alle Mühe, die seltsame Beklommenheit, die sie beschlichen hatte, nicht zu beachten, als sie an Bianca vorbeiging und die Tür zum Laden öffnete. Hinter ihr schlug Bianca die Tür wieder zu. Die Dienerin ließ ihre Herrin allein im Laden.
Oder fast allein natürlich.
Den ganzen Morgen war es sehr geschäftig gewesen. So kurz vor Karneval wollten viele Leute ein neues Parfüm ordern. Viele Kunden waren gekommen, um ihre Bestellungen abzuholen und gleichzeitig den neuesten Klatsch über den Landucci-Tod und Il leone zu hören.
Velazquez stand halb abgewandt und betrachtete eingehendden neuen französischen Ölbrenner, den sie ausgestellt hatte. Das gab Julietta etwas Zeit, ihren Kunden genauer zu beobachten. In der Zwischenzeit hatte sie beschlossen, dass ihr Bild, das sie von seiner männlichen Ausstrahlung und seiner Anziehungskraft hatte, übertrieben sein musste. Sie war sicher gewesen, dass sie sich in ihrer überschäumenden Fantasie eine Gestalt ausgemalt hatte, die wesentlich größer, stärker und dunkler als in Wirklichkeit war. Aber nein – er glich genau dem Bild, an das sie sich erinnerte. Heute war er in Grün gekleidet – ebenso unaufdringlich und kostbar wie die Garderobe, die er vor zwei Tagen getragen hatte –, ein dunkles Waldgrün mit silbergeränderten Manschetten an den Ärmeln und Silberfuchsfutter an dem kurzen Umhang. Gelangweilt drehte er ein grünes Samtbarett in der schmalen Hand. Sein glänzendes Haar leuchtete in der Sonne.
Am Ohrläppchen baumelte wie zuvor die Perle und lenkte den Blick auf die energische Wangenpartie. Mit einem leichten Stirnrunzeln blickte er auf den Brenner. Doch sie ahnte, dass sein Interesse gar nicht der Auslage galt, sondern dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war.
Genau wie sie in den letzten zwei Tagen.
Worüber mag er wohl nachdenken, fragte sie sich. Was befand sich hinter der Fassade des glanzvollen Helden, des kühnen
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